Süßstoff-Konsum ist möglicherweise mit einem bis zu 15 Prozent höheren Sterblichkeitsrisiko verbunden – sollte man ihn meiden?
7. März 2024
von Franziska Schindler

Süßstoff ungesund?

Auswirkungen auf die Gesundheit

Für einige ist Süßstoff die bessere Alternative zu Zucker – er ist kalorienfrei und hat keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Forschungen ergaben allerdings, dass er sich negativ auf die Darmgesundheit auswirkt, die Sterblichkeit erhöht und krebserregend ist. Wie gesund oder ungesund ist er also wirklich?

  • Süßstoff ist bedingt sinnvoll während einer Diät, kann unter Umständen die Darmflora negativ beeinflussen, scheint aber nicht krebserregend zu sein.
  • Für eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung reicht die aktuelle Datenlage allerdings nicht aus.
  • Zusammenfassend gibt es weder einen Grund, Süßstoff zu empfehlen, noch ihn zu vermeiden.

Gesundheitliche Auswirkungen – Süßstoff ungesund?

Übergewicht: möglicherweise ungeeignet fürs Abnehmen

Viele Nutzen Süßstoff, um Kalorien einzusparen und die negativen Effekte von Zucker zu umgehen. Besonders wenn Fettabbau angestrebt wird, spielt er eine große Rolle in der Ernährung. Das scheint allerdings nur bedingt sinnvoll zu sein.

Im Februar 2023 veröffentlichte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Stellungnahme zu Süßungsmitteln (Bewertungsstand September 2019). Darin heißt es: „Studien zum Einfluss dieser Stoffe auf das Körpergewicht zeigen, dass deren Aufnahme anstelle von Zucker, im Rahmen eines Gewichtsreduktionsprogramms mit unterkalorischer Ernährung und Maßnahmen einer Verhaltensintervention, zu einer Gewichtsabnahme führen bzw. diese unterstützen kann.“ Jedoch schreibt das BfR auch, dass die Datenlage keine Aussagen darüber zuließe, ob es auch zu einer Abnahme kommt, wenn der Konsum nicht von einer Diät begleitet wird.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät in Sachen Fettabbau sogar davon ab: „Die WHO empfiehlt, zuckerfreie Süßstoffe nicht als Mittel zur Gewichtskontrolle einzusetzen oder um das Risiko nichtübertragbarer Krankheiten zu verringern (bedingte Empfehlung).“ Bedingt ist die Empfehlung, weil sie sich auf die Belege einer systematischen Übersichtsarbeit mit einer insgesamt geringen Sicherheit stützt. Diese ergab keinen langfristigen Nutzen von Süßstoffen bei der Messung des Körperfettanteils bei Erwachsenen und Kindern.

Kritik kommt auch von Manuel Magistro, Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin sowie Vorstandsmitglied im Hausärzteverband Baden-Württemberg. Er lässt gegenüber ZDFheute verlauten, dass Süßstoffe neueren wissenschaftlichen Arbeiten zufolge die Glukosetoleranz in erheblichem Maß zu beeinträchtigen scheinen. Das würde eine verschlechterte Regulation des Blutzuckerspiegels bedeuten und kann ein Risiko für die Entwicklung von Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 darstellen. Eine Ursache könnte die appetitsteigernde Wirkung von Süßstoffen sein, die laut Magistro vermutet wird, aber noch nicht nachgewiesen werde konnte.

Darmgesundheit: Datenlage widersprüchlich und limitiert

In der Vergangenheit wurde Süßstoff häufig mit einer negativen Wirkung auf den Darm in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang stößt man immer wieder auf eine israelische Studie aus dem Jahr 2014. Die Forschenden fanden anhand von Versuchen an Mäusen und Menschen heraus, dass künstliche Süßstoffe durch eine Veränderung der Darmflora zu Glukoseintoleranz führen. Alle Probandinnen und Probanden wiesen eine Veränderung am Mikrobiom auf. Diese fiel in den Saccharin- und Sucralose-Gruppen am stärksten aus, für die zuvor auch die höchsten Blutzuckerspitzen festgestellt wurden. Die wissenschaftliche Arbeit erhielt jedoch starke Kritik. Sämtliche Süßstoffe seien darin über einen Kamm geschert worden. Außerdem reagiere die Darmflora von Menschen viel empfindlicher auf Kohlenhydrate als die von Labormäusen, welche normalerweise zu 60 Prozent mit Fett ernährt werden.

Seitdem folgten weitere Studien und Beiträge zum Thema. 2022 wurden in einer Übersichtsarbeit Studien zu den Auswirkungen von kalorienhaltigen und kalorienfreien Süßstoffen ausgewertet. Die Autorinnen und Autoren kamen unter anderem zu dem Schluss, dass Aspartam und Steviolglucoside die Zusammensetzung der Darmmikrobiota wesentlich stören. Im selben Jahr kamen andere Forscherinnen zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Süßstoffe Aspartam, Sucralose und Saccharin in täglichen akzeptablen Mengen (ADI) nur einen geringen Einfluss auf das Darmmikrobiom haben.

Die widersprüchlichen Ergebnisse lassen die Frage offen, ob Süßstoff ungesund für unseren Darm ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fasst in seiner Stellungnahme zusammen: „Auf Basis der gegenwärtigen (limitierten) Datenlage kann keine Aussage getroffen werden, ob das intestinale Mikrobiom beim Menschen bzw. bei Modelltieren durch die Einnahme von Süßungsmitteln klinisch relevant beeinflusst wird.“

Krebsrisiko: Tageshöchstdosis gilt als ungefährlich

Im Juli 2023 hat die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. Seitdem wurde die Frage laut, wie ungesund Süßstoffe wirklich sind, wenn es um ihre Kanzerogenität geht.

Die IARC gehört zwar zur Weltgesundheitsorganisation. Anders als diese berücksichtigt sie jedoch nicht, wie viel ein Mensch zuführen muss, um sich einem Gesundheitsrisiko auszusetzen. Die WHO stellte im Anschluss an die neue Klassifizierung des Süßstoffs klar, dass „die ausgewerteten Daten keinen ausreichenden Grund für eine Änderung der zuvor festgelegten akzeptablen täglichen Aufnahmemenge (ADI) von 0 – 40 mg/kg Körpergewicht für Aspartam erkennen ließen.“ Der Konsum sei innerhalb dieser Tageshöchstdosis sicher.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Eine 70 Kilogramm schwere Person kann demnach 2.800 Milligramm Aspartam am Tag konsumieren. Das wären rund 22 Liter Coca Cola täglich – einer enthält in etwa 130 Milligramm des Süßstoffs. Den Angaben beider Organisationen zufolge ist die Klassifizierung allerdings ein Aufruf an die Wissenschaft – es seien dringend weitere Studien nötig.

Auch dem Krebsinformationsdienst (dkfz) zufolge gehe keine Gefahr von Süßstoffen aus. Zugelassene Zusatzstoffe würden nach derzeitigem Kenntnisstand weder Krebs verursachen noch die Gesundheit in einer anderen Art und Weise schädigen. Jedenfalls solange sie nur in den vorgesehenen Mengen konsumiert werden. Das BfR schreibt sogar, dass Aspartam eines der am besten untersuchten und von Expertengremien wiederholt bewerteten Süßungsmitteln ist, nachdem es mehrfach unter Verdacht stand, Krebs auszulösen. Das Institut fasst zusammen, dass wissenschaftliche Überprüfungen die Vermutung bislang nicht bestätigen konnten.

Wie es um die Kanzerogenität anderer Süßstoffe bestellt ist, wird kaum diskutiert.

Hände beim Dosieren von Süßstofftabletten
Adobe Stock | Towfiqu Barbhuiya

Gesamtmortalität: weitere Forschung notwendig

Ist Süßstoff so ungesund, dass er vielleicht sogar die Gesamtsterblichkeit erhöht? Die Datenlage ist dünn. Im Jahr 2021 betrachteten Forschende im Rahmen einer Übersichtsarbeit den Zusammenhang zwischen dem Konsum von zuckergesüßten Getränken sowie Getränken mit künstlichen Süßstoffen und der Gesamtsterblichkeit. Nach der Sichtung von insgesamt 15 Studien wurde geschlussfolgert, dass eine hohe Zucker- und Süßstoff-Zufuhr mit einer höheren Gesamtmortalität verbunden sei. Im Vergleich zu Nicht-Konsumentinnen und -Konsumenten wäre das Sterblichkeitsrisiko um sieben bis 15 Prozent höher.

Ein Jahr später wurde in einer Kohorten-Studie der Einfluss von zuckergesüßten Getränken, kalorienarmen/kalorienfreien Getränken sowie Fruchtsäften auf die Gesamtmortalität untersucht. Hierzu wurden die Daten von 118.707 Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren herangezogen. Die Analyse zeigte, dass die Substitution von zuckerhaltigen Getränken durch kalorienarme beziehungsweise kalorienfreie Getränke mit einem geringeren Sterblichkeitsrisiko verbunden ist – insbesondere bei Frauen.

Süßstoff ungesund? – Nutzen gering, Schaden ungewiss

Wie so oft, gibt es auch in puncto Süßstoff befürwortende und widerlegende Beweise hinsichtlich bestimmter Fragestellungen. Wie ungesund ist Süßstoff also im Allgemeinen?

In der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) heißt es, dass die aktuelle Datenlage zur gesundheitlichen Wirkung von Süßstoffen nicht ausreiche, um eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung vorzunehmen. Die epidemiologischen Studien, welche dem BfR vorlagen, betrachten lediglich die Süßstoffexposition aus Light-Getränken. Die tatsächliche Aufnahme könne jedoch wesentlich höher sein, da einzelne Süßstoffe sowie Kombinationen auch in Fertigprodukten und Kosmetika (zum Beispiel Zahnpasta) verwendet werden.

Außerdem wird angemerkt, dass ebenfalls Forschungsbedarf hinsichtlich der gesundheitlichen Wirkung von Süßstoffkombinationen bestehe – es waren primär Studien zu einzelnen Süßstoffen vorhanden. In die Bewertung des BfR miteinbezogen wurden Sucralose, Acesulfam K, Saccharin, Aspartam und Cyclamat.

Dr. med. Stefan Kabisch forscht an der Charité – Universitätsmedizin Berlin zum Thema Ernährung. An der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin hat er hierzu zahlreiche Studien durchgeführt. Gegenüber tagesschau fasst er den aktuellen Kenntnisstand wie folgt zusammen: „Es gibt keinen soliden Grund, Süßstoffe aktiv zu vermeiden, aber auch keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu empfehlen. Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar.“

Hilfe beim Abwägen möglicher Risiken

Das sogenannte BfR-Risikoprofil (Seite 2) bietet eine gute Übersicht über die Stellungnahme des Instituts. Es hilft dabei, die möglichen Risiken von Süßstoff-Konsum abzuwägen.

A. Betroffen sind:
Allgemeinbevölkerung
B. Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bei regelmäßiger Aufnahme von Süßstoffen:
unwahrscheinlich
C. Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung bei regelmäßiger Aufnahme von Süßstoffen: Eine abschließende Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken ist aus den derzeit vorliegenden Daten nicht möglich.
D. Aussagekraft der vorliegenden Daten:
Gering – Zahlreiche wichtige Daten fehlen oder sind widersprüchlich
E. Kontrollierbarkeit durch Verbraucher:
kontrollierbar durch Verzicht

Süßstoff-Lexikon: häufige Arten im Überblick

Es gibt eine Vielzahl an Süßstoffen, die nicht immer auf Anhieb zu erkennen sind. Vier werden industriell am häufigsten verwendet:

Sucralose (E 955)

Sucralose wird vermehrt in Energydrinks, Proteinriegeln und vielen weiteren Fitnessprodukten verarbeitet. Sie ist aber auch in Fischkonserven, Eis und vielem mehr enthalten. Es handelt sich dabei um einen künstlichen Süßstoff, der durch das Versetzen von Zucker mit Chlor gewonnen wird – ein komplexer chemischer Prozess. Das Endprodukt schmeckt rund 600-mal süßer als das Original.

Acesulfam-K (E950)

Eine 200-mal höhere Süßkraft als Zucker macht Acesulfam-K zu einem beliebten Süßstoff in kalorienreduzierten Produkten, Kaugummis, Getränken, Konserven und vielem mehr. Acesulfam-K wird durch die Verbindung von Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Kalium und Schwefel hergestellt. Das K im Namen ist auf Kaliumsalz zurückzuführen. Der Süßstoff wird häufig mit Aspartam kombiniert. Laut dem Süßstoff-Verband e. V. werde das Mundgefühl dadurch runder. Süßstoffe hätten in Kombination einen Synergieeffekt.

Aspartam (E951)

Ebenfalls 200-mal süßer ist Aspartam. Was den Brennwert angeht, ist der Süßstoff gleichauf mit Zucker – er hat genauso viele Kalorien (rund 400 pro 100 Gramm). Wegen seiner enormen Süßkraft braucht man jedoch nur einen Bruchteil im Vergleich zu Zucker. Aspartam besteht aus den zwei Aminosäuren Phenylalanin beziehungsweise Asparaginsäure und aus Methanol. Man findet ihn in diversen Produkten: von Erfrischungsgetränken, über Backwaren bis hin zu Fertiggerichten.

Saccharin (E954)

Bei Saccharin handelt es sich um den ältesten Süßstoff der Welt. Er wurde 1878 durch Zufall von einem Chemiker entdeckt. Saccharin wird mittels einer chemischen Reaktion aus Toluol oder Phthalsäure hergestellt und hat eine 550-mal höhere Süßkraft als Zucker. Auch dieser Süßstoff wird einer Reihe an Lebensmitteln zugesetzt, beispielsweise Brotaufstrichen, Soßen, Trockenfrüchten und Konserven. Das Besondere an Saccharin ist seine Stabilität. Es ist hitze- und gefrierbeständig und bewahrt auch in wässrigen und säurehaltigen Produkten seine Süße.

Gut zu wissen: Die Gruppe der „Süßungsmittel“ ist der Überbegriff für Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe. Letztere werden auch als Zuckeralkohole bezeichnet und durch die Fermentierung von Kohlenhydraten hergestellt. Beispiele dafür sind Maltit (E 965), Xylit (E967) und Erythrit (E 968). Sie liefern ungefähr halb so viele Kalorien wie Zucker. Im Gegensatz dazu sind Süßstoffe quasi kalorienfrei, schmecken wesentlich süßer als Zucker und werden chemisch gewonnen.

Fazit: Ist Süßstoff ungesund? Jedenfalls ist er bedingt sinnvoll während einer Diät und kann unter Umständen die Darmflora negativ beeinflussen. Er scheint hingegen nicht krebserregend zu sein. Inwiefern er sich auf die Gesamtsterblichkeit auswirkt, ist nicht eindeutig. Auch für eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung reicht die aktuelle Datenlage nicht aus. Zusammenfassend gibt es weder einen Grund, Süßstoff zu empfehlen, noch ihn zu vermeiden. Mögliche Risiken lassen sich lediglich durch Verzicht kontrollieren.

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