Protein ist nicht gleich Protein!
Mehr Muskeln durch biologische Wertigkeit
Wer Muskeln aufbauen will, kümmert sich um eine erhöhte Eiweißzufuhr. Aber achtest du auch auf die Proteinqualität? Wir sprechen nicht vom Preis oder der Marke, sondern von der biologischen Wertigkeit. Denn nicht jedes Gramm Eiweiß kommt auch genauso in deinem Stoffwechsel an, wie du vermutest!
- Die biologische Wertigkeit gibt an, wie gut Nahrungsprotein in Körperprotein umgewandelt werden kann – das Hühner-Vollei dient als Referenzwert
- Durch geschickte Lebensmittel-Kombinationen kann vor allem die biologische Wertigkeit von pflanzlichem Eiweiß erhöht werden
- Dieses Maß dient nur zur Bestimmung der Proteinqualität, aber macht keine Aussagen über den Vitamin- und Mineralstoffgehalt oder die wahre Verdaulichkeit
Was hat die biologische Wertigkeit von Eiweiß zu bedeuten?
Die biologische Wertigkeit ist ein Maß zur Bestimmung der Qualität von Proteinen. Sie gibt an, wie gut diese vom Menschen in körpereigenes Eiweiß umgewandelt und beispielsweise für den Muskelaufbau verwendet werden können. Das Aminosäure-Profil eines Lebensmittels entscheidet über ihre Höhe: Je ähnlicher es den Körper-Proteinen ist, desto geringer ist der Aufwand für die Umwandlung und umso höher fällt die biologische Wertigkeit aus.
Weil keine Eiweißquelle restlos in Körper-Protein transformiert werden kann, braucht es zum Vergleich ein Bezugsprotein. Als Referenzwert wurde daher das Hühner-Vollei mit 100 festgelegt. Erreicht ein einzelnes Lebensmittel die biologische Wertigkeit von über 100, heißt das, dass dein Körper das darin enthaltene Eiweiß effektiver synthetisieren kann als jenes im Ei – das schafft nur das allseits beliebte Whey. Bei Werten darunter erfolgt eine schlechtere Synthese.
Eine biologische Wertigkeit von 100 bedeutet jedoch nicht, dass eine hundertprozentige Umwandlung des Proteins stattfindet. Man muss die Zahl als reinen Richtwert betrachten, denn ein bisschen Schwund ist immer!
Diese Kombinationen erhöhen die biologische Wertigkeit
Eijeijei, klingt fast so, als dürftest du jetzt nur noch Proteinshakes trinken und Volleier essen, um den Muskelaufbau voranzutreiben! Nein, zum Glück kannst du durch bestimmte Lebensmittel-Kombinationen ihre Aminosäure-Zusammensetzung verbessern – ihre Profile ergänzen sich nämlich gegenseitig. Die biologische Wertigkeit von Eiweiß zu erhöhen, ist demnach gar nicht mal so schwierig.
Da viele pflanzliche Nahrungsmittel im Allgemeinen über eine geringere biologische Wertigkeit verfügen, ist es besonders bei einer veganen Ernährung ratsam, deine Eiweißquellen clever zu kombinieren. In der folgenden Tabelle findest du einige Beispiele dafür, sowie für eine carnivore und vegetarische Ernährungsweise. Das Mischungsverhältnis bezieht sich dabei auf das im Lebensmittel enthaltene Protein, nicht auf das Gesamtgewicht des Lebensmittels.
Essenzielle Aminosäuren und ihre entscheidende Rolle
Doch woran genau wird die biologische Wertigkeit eines Lebensmittels festgemacht? Hierzu müssen wir ein bisschen genauer hinsehen. Proteine bestehen aus langen Ketten von kleineren Molekülen – den Aminosäuren. In der Eiweißsynthese gibt es insgesamt 20 davon. Neun dieser Aminosäuren kann dein Körper nicht aus anderen Verbindungen synthetisieren – sie sind „essenziell“ und müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Alle nicht-essenziellen Aminosäuren kann dein Körper aus organischen Stoffen herstellen, die genug Stickstoff enthalten. Die Proteinsynthese – also die Neubildung von Proteinen in Zellen – hängt von der Bereitstellung aller essenziellen Aminosäuren ab.
1. Histidin (semi-essenziell, da beim Heranwachsen wichtig)
2. Isoleucin
3. Leucin
4. Lysin
5. Methionin
6. Phenylalanin
7. Threonin
8. Tryptophan
9. Valin
Vollständige und unvollständige Proteine machen den Unterschied
Nun können wir den Bogen zur biologischen Wertigkeit spannen! Sie wird mithilfe chemischer Untersuchungen festgestellt. Dazu wird die Menge der limitierenden Aminosäure im Testprotein ins Verhältnis zum Referenzprotein (Hühner-Vollei) gesetzt. Bei einer „limitierenden Aminosäure“ handelt es sich um jene Aminosäure, die – bezogen auf ihren Bedarf – am wenigsten in einer Eiweißquelle enthalten ist. Diese beschränkt die Neusynthese von körpereigenem Eiweiß. Je stärker das Aminosäuren-Profil von Nahrungsprotein mit dem des körpereigenen Eiweißes übereinstimmt, umso mehr Körperprotein kann der Organismus aus dem Essen synthetisieren. Die biologische Wertigkeit solcher Proteine kann sich sehen lassen!
Auf diese Weise konnte herausgefunden werden, dass nicht alle Eiweißquellen gleich gut von deinem Körper umgewandelt werden können und manche unvollständig sind. Das heißt, sie enthalten eine unzureichende Menge einer oder mehrerer essenzieller Aminosäuren. In diesem Fall werden auch die anderen Aminosäuren nicht zum Proteinaufbau genutzt, sondern in Fette und Zucker abgebaut (Desaminierung).
Das trifft leider auf viele Pflanzenproteine zu. Tierische Eiweißquellen hingegen gelten als vollständige Proteine und glänzen mit einer hohen biologischen Wertigkeit. Sie verfügen über alle essenziellen Aminosäuren in einem für den Menschen angemessenen Verhältnis. Wenn du die richtigen Lebensmittel miteinander kombinierst, dann brauchst du dir als Veganerin oder Veganer trotzdem keine Sorgen über deine Proteinsynthese zu machen. Du isst ja in der Regel sowieso keinen Block Tofu oder Ähnliches ohne Beilage!
Biologische Wertigkeit von Proteinen mit Vorsicht genießen
Außer bei Gold’s Gym, ist nicht gleich alles Gold, was glänzt. So hat auch die biologische Wertigkeit ihre Tücken. Zum einen sollte dir bewusst sein, dass eine hohe biologische Wertigkeit eines bestimmten Lebensmittels zwar für seine gute Umsetzung in körpereigenes Protein spricht, aber keine Aussagen über die restliche Produktqualität macht. Andere gesundheitliche Aspekte wie zum Beispiel der Vitamin- und Mineralstoffgehalt, werden hier außen vor gelassen. Molkenprotein beispielsweise mag die Skala zwar anführen, aber hat neben seinem hohen Eiweißgehalt nicht ganz so viel auf Lager.
Der Aminosäureindex bezieht Verdaulichkeit mit ein
Darüber hinaus berücksichtigen solche chemischen Verfahren wie die biologische Wertigkeit nicht die tatsächliche Verdaulichkeit von Protein. Denn nicht alle Aminosäuren können auch wirklich vom Körper aufgenommen werden. Darum gibt es eine weitere Kennzahl zur Beschreibung der Eiweiß-Qualität, den Aminosäureindex. Im Englischen wird er als „Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score“ (PDCAAS) bezeichnet – da bleiben wir lieber bei Aminosäureindex.
Er gibt die Verwertbarkeit von Eiweiß unter Berücksichtigung des Verlusts bei der Verdauung an. Außerdem fließen in seine Berechnung Größen ein, die den Protein-Abbau verhindern – die enzymhemmenden Faktoren (Enzymhibitoren), wie zum Beispiel Cellulose. Jedoch kann er die biologische Wertigkeit nicht ersetzen, weil er auf ihr aufbaut. Um den PDCAAS zu berechnen, wird der Chemical Score (biologische Wertigkeit) der limitierenden Aminosäure mit der wahren Protein-Verdaulichkeit multipliziert.
Wenn du deine tatsächliche Eiweiß-Aufnahme optimieren und die körpereigene Proteinsynthese forcieren möchtest, lohnt sich ein Blick auf die biologische Wertigkeit. Besonders wenn du eh Probleme damit hast, auf deine tägliche Eiweiß-Menge (1,2 bis 2 Gramm) zu kommen. Ansonsten kommt es natürlich auch auf die Hoch- und nicht nur auf die Wertigkeit deiner Lebensmittel und die Proteinzufuhr an. Fette und Kohlenhydrate sollten auch einen Platz in deiner Ernährung bekommen. Auf die Eier, fertig, los!