Unsere Silber-Queen im Interview
Pamela Dutkiewicz über Rekorde und Training
Attraktiv, jung und erfolgreich. Pamela Dutkiewicz (26) ist schon jetzt die schnellste deutsche Frau unter den Hürdenläuferinnen. Bei der Lechtathletik-EM ist die WM-Dritte von 2017 bei der EM in Berlin nicht nur heiße Anwärterin auf Gold, sondern stellte auch gleich mal eben so einen neuen Rekord bei den Deutschen Meisterschaften auf. LOOX traf unsere schärfste Waffe bei den 100-m-Hürden zum Interview.
Pamela, herzlichen Glückwunsch zum Meisterschaftsrekord. Wann fängt denn eigentlich für dich eine Vorbereitung für einen Wettkampf an? Man weiß in der Leichtathletik ja erst kurz vorher, ob man dabei ist, oder?
Das ist das Verrückte daran. Alle Trainingslager wurden auf die EM abgestimmt. Im schlimmsten Fall ist es dann Tag X und du liegst auf der Nase und bist nicht dabei. Also es ist schon ein recht hartes Business. Bei mir war es jetzt auch noch der Fall, dass viele schon in die Saison eingestiegen sind und schon viele Wettkämpfe gemacht haben. Ich hatte mich vor einiger Zeit verletzt, bin jetzt aber wieder auf einem guten Weg. Man muss sich von Anfang an darauf vorbereiten und eine gute Basis schaffen.
Trainiert ihr im Team für die Wettkämpfe oder ist es eher ein Wettkampf auch unter den anderen deutschen Athleten?
Also wir sind ja Individual-Sportler. Das ist nicht ganz so zu vergleichen, wie ein Teamsport. Bei allem, was nicht Teil vom Wettkampf ist, ist man nett. Wir sind gemeinsam im Trainingslager und trainieren mit der Konkurrenz, weil wir wissen, dass das unfassbar viel bringt, wenn man mit schnellen Mädels trainiert. Aber sobald der Schuss kommt sind wir absolute Konkurrenten und jeder möchte vorne sein. Wir fahren aber gemeinsam nach Berlin. Dort wird es dann ein Vorlager geben. Da wird man eine Woche nochmals gemeinsam trainieren und von da aus fährt man als Nationalmannschaft gemeinsam nach Berlin ins Hotel. Die Deutschen sind ja unfassbar stark besetzt, wir werden sicherlich auch da wieder über 100 Athleten haben, aber in Berlin macht auch wieder jeder sein eigenes Ding. Wir sind halt Einzelsportler.
Ist es so, dass ich mir im Training bewusst einen Partner suche, der mich besonders pushen kann, weil der vielleicht schneller ist als ich oder eine bessere Technik hat?
Das ist eine gute Frage. Ich habe das Glück, mit zwei anderen Hürdensprinterinnen zu trainieren, aber ansonsten ist es leider so, dass die nationale Spitze recht verteilt ist. Die eine ist in Leipzig, die andere ist in Stuttgart, ich bin in Bochum. Man kann dann von Glück sprechen, wenn man schnelle Mädels auch bei sich in der Gruppe hat. Eine ist auch eine Österreicherin, also zumindest keine nationale Konkurrentin. Sie ist zum Beispiel eine unfassbar gute Starthalterin. Sie hat einen sehr schnellen Anlauf zur ersten Hürde. Das ist auf jeden Fall ein Bereich, an dem ich gut arbeiten kann. Wenn wir im Training immer wieder die Möglichkeit haben, gegeneinander zu laufen ist das natürlich Klasse an meinen Schwächen zu arbeiten, weil es ihre Stärken sind. Es ist schon wichtig, wie man sein Training gestaltet und welche Trainingspartner man hat.
Ist das auch ein Grund, warum man in der Saison so viele Wettkämpfe bestreitet? Um sich durch die Wettkämpfe zu verbessern?
Ja, eine Wettkampfsaison ist echt lang. Wir fangen Ende Mai/Anfang Juni an und hören Mitte September auf, wobei der Höhepunkt meistens im August ist. Es gibt in der Zeit auch viele Meetings, das sind die Wettkämpfe, bei denen man auch international läuft, die auch im Fernsehen zu sehen sind und für die es Preisgelder gibt etc. Dann ist es auch eine finanzielle Sache, da man sich mit den Wettkämpfen etwas dazuverdient. Ansonsten bekommt man über Wettkämpfe Sicherheit und Stabilität.
Wie sieht das Aufbautraining bei dir aus und wie verändert sich das in der Zeit?
Eigentlich kann man das in zwei Phasen unterteilen. Zum einen die Aufbauphase. Da werden die ganzen Umfänge gemacht. Man baut die Grundlagen auf. Da trainiert man zweimal am Tag. Ich habe in der Zeit neun bis zehn Trainingseinheiten in der Woche. Da besteht der Tag aus Training und Regeneration. Ich gehe um 10 Uhr zur ersten Trainingseinheit. Die geht etwa zwei Stunden, dann nach Hause, um etwas zu essen, dann Physiotherapie. Dann hat man noch die Regenerations-Maßnahmen, die man selber machen kann, wie zum Beispiel ins Eisbad gehen oder die Wechseldusche oder ins Lympha-mat gehen, um die ganzen Schlackstoffe abzutransportieren. Von 17 bis 19 Uhr oder manchmal auch bis 20 Uhr ist die zweite Trainingseinheit. Die Kräfte zwischen den Einheiten reichen dann einfach nicht aus, um noch andere Aktivitäten zu machen. Diese Phase ist schon recht anspruchsvoll und wenn es dann auf die Saison zugeht, wird die Intensität größer und die Umfänge verringern sich. Also die Einheiten sind knackiger, schneller und mit mehr Pausen gefüllt. Es ändert sich nichts an der Regeneration, aber da kann man dann trotzdem mal andere Dinge machen. Da ist die Kraft dann da. Ich studiere ja noch nebenher. Ich mache recht wenig, aber in der Phase kann ich dann auch mal eine Hausarbeit schreiben.
Wie kann ich mir denn eure Trainingseinheiten vorstellen? Ihr lauft ja wahrscheinlich keinen Marathon beim Training, oder?
Das ist eine sehr gute Frage, weil viele tatsächlich denken, die so ganz fern von der Leichtathletik sind: „Ich bin eine Hürdensprinterin, also laufe ich im Training die ganze Zeit Hürden.“ Das ist natürlich nicht so. Wir machen ganz viele Bereiche. Wir machen Krafttraining, Sprungtraining für ein schnelles Fußgelenk und um Kraft in den Beinen zu kriegen, also Explosivkraft. Dann machen wir ein Sprinttraining und auch Sprint-Ausdauer – das geht dann bei uns bis 300 m, um auch da eine Grundlage zu schaffen. Wir machen Techniktraining, wo wir uns mit hürdentechnischen Elementen auseinandersetzen. Wir machen Berglauf, was eine ganz wichtige Einheit bei uns ist. Das sind Hügelläufe, damit bekommt man natürlich eine ganz andere Intensität. Genauso wie Sprünge, was wir auch den Hügel hoch machen. Also das Training setzt sich aus ganz vielen Bereichen zusammen.
Was wäre ein No-Go für euch im Training?
Das lange laufen wäre ein absolutes No-Go für einen Sprinter. Wir würden nie fünf Kilometer laufen gehen. Wir laufen uns schon mal ein bisschen länger ein und das kann mal in den Kilometer reingehen, aber das auch nur in der Aufbauphase. Sobald es dann in die unmittelbare Vorbereitung für den Wettkampf geht, ist es das Letzte, was man macht. Man lebt ja aus dem schnellen Fußgelenk und aus den schnell zuckenden Muskeln. Das würde man sich mit Langläufen kaputt machen.
Und wie sieht deine Ernährung in den unterschiedlichen Trainingsphasen aus?
Im Aufbautraining esse ich deutlich mehr, da es so umfangreich ist. Da muss dem Körper genügend Energie zugeführt werden. Ich esse dann einfach ein paar mehr Kohlenhydrate, die ich dann in der zweiten Phase weglasse. Wenn die Ernährung nicht stimmt, kann man auch keine Leistung erbringen – egal wie gut man trainiert. Am Morgen esse ich sehr ausgewogen, aber gönne mir auch öfters was, da ich kein Freund von Verzicht und Cheat Days bin – das hat bei mir noch nie funktioniert. Am Mittag esse ich Fleisch und Gemüse, aber eben auch eine Portion Kohlenhydrate und am Abend lasse ich die Kohlenhydrate weg und habe meistens ein gutes Fleisch oder einen guten Fisch und Veggies.
Fehlt dir denn das manchmal, mit Freunden was zu machen?
Überhaupt nicht. Ich glaube, man wächst da richtig rein. Ich mach das ja auch schon auf einem bestimmten Leistungsniveau seit zehn Jahren. Ich führe ein anderes Leben als viele, aber das ist der einzige Weg, der funktioniert. Ich bin kein Freund von halben Sachen. Das funktioniert einfach nicht.
Hast du ein Ritual, was du machst, wenn du in einen Wettkampf reingehst?
Absolut. Ich glaube, der ganze Wettkampf ist ein Ritual. Man reist ja meistens einen Tag vorher an – außer bei internationalen Meisterschaften, da sind es noch ein paar Tage mehr. Gerne fahre ich dann ins Stadion und schau mir alles an. Wo sind die Toiletten? Wo mache ich mich warm? Genügend Schlaf ist absolut wichtig bei mir. Vor dem Wettkampf schlafe ich ganz, ganz viel und ganz lang. Meistens sind die Wettkämpfe am Abend. Ausgiebiges Frühstück, ein Spaziergang, also es ist schon ein Tag voller Rituale, die ja auch schon Sicherheit geben. Ich habe feste Abläufe, einfach um in diesen Wettkampfmodus zu kommen.
Was pusht einen denn mehr – in einem voll besetzten Stadion zu laufen oder vor wenigen Leuten?
Ich glaube, das ist auch ein bisschen Erfahrungssache. Früher hat mich das unheimlich eingeschüchtert. Dann waren die Wettkämpfe auch nicht gut, aber mittlerweile ist es so, dass es mich pusht. Es macht echt Spaß und es macht so viel aus, wenn man merkt, dass die Leute da Bock drauf haben und alles ist super professionell. Es ist ganz schwierig diese Atmosphäre zu beschreiben, aber das beflügelt. Dann hat man auch den Adrenalinpegel, den man braucht für eine gute Leistung.
Ich war mal bei der Wrestling Weltmeisterschaft in Las Vegas. Da hat mir der Champion erzählt, dass er sich auch psychologisch sehr auf einen Wettkampf vorbereitet und eine Art Gedankenkontrolle macht. Ist das bei dir auch so?
Ich habe das auf jeden Fall auch. Ich mache das aber nicht mit meinem Trainer, sondern ich habe eine Psychologin mit der ich schon seit ewigen Zeiten zusammenarbeite. Da sind immer wieder neue Dinge mit denen ich mich beschäftige und für die ich Lösungen und neue Strategien finde. Das ist natürlich auch ein bisschen ein Geheimnis, weil ich weiß, dass das der Schlüssel ist – unser Mentales ist auf jeden Fall entscheidend, deswegen will ich da ungern zu viel preisgeben.
Du hast schon viel erreicht. Wünschst du dir für die Zukunft, noch etwas Bestimmtes zu schaffen?
Das mache ich ungern an irgendwelchen Medaillen fest. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch mache, aber definitiv bis Tokio 2020.
Ich war in Rio bei den Olympischen Spielen, aber ich war noch recht unerfahren, bin aber trotzdem bis zum Halbfinale gekommen und bin am Schluss 12. geworden, was nicht schlecht ist für die ersten Olympischen Spiele. Das ist eine unfassbare Reizüberströmung. Es ist unfassbar, wie unglaublich laut, wild und wie viel alles ist. Also Ziel sind auf jeden Fall die Olympischen Spiele und es dort so weit wie möglich zu schaffen.
Hast du das Gefühl, dass du besser wirst, je älter du wirst?
Das auf jeden Fall. Gerade der Hürdensprint – dadurch, dass es viele technische Herausforderungen sind – lebt es von Erfahrung. Man sagt, dass man mit Ende 20, Mitte 30 seinen höchsten Leistungspunkt im Hürdenlauf erreicht hat.
Dann funktioniert die Sprintfähigkeit, technische Herausforderung und die mentale Sache alles so weit, dass man an sein Maximum kommt. Das ist auch für mich spürbar. Ich bin dieses Jahr mental stärker, als ich es vor zwei Jahren war und körperlich lerne ich mich auch durch Verletzungen und Probleme besser kennen und weiß, was mir guttut oder was ich besser lassen sollte. Ich habe zwar keine konkreten Pläne für die Zukunft, aber es wäre schön, wenn ich meine Erfahrungen aus der Leichtathletik weitergeben könnte.