Ab einer bestimmten Geschwindigkeit rekrutierst du weniger motorische Einheiten – und machst weniger Gains
31. Mai 2022
von Franziska Schindler

Schnelle oder langsame Wiederholungen

Tempolimit für deinen Muskelaufbau

Zeitraffer oder Schneckentempo: In welcher Geschwindigkeit du die Gewichte bewegst, hat durchaus einen Einfluss auf den Muskelaufbau. Wir verraten dir, welches Tempo ideal ist und wie du es auf die Schnelle in die Praxis umsetzt – let’s go!

  • Eine einzelne Wiederholung dauert durchschnittlich zwei bis vier Sekunden und besteht aus drei Phasen: konzentrisch, isometrisch und exzentrisch.
  • Einer Metaanalyse zufolge liegt die ideale Dauer einer Rep zwischen 0,5 und acht Sekunden, jedoch können sich sowohl extrem langsame Wiederholungen, als auch übermäßig schnelle negativ auf dein Training auswirken.
  • Um das Beste von beidem zu erhalten, lohnt es sich, je nach persönlichen Schwächen und Stärken beziehungsweise Zielen, eine Vielfalt an Geschwindigkeiten in dein Training zu integrieren.

Phasen einer einzelnen Wiederholung

Bevor wir von der Geschwindigkeit einer Wiederholung reden, müssen wir uns zuerst ansehen, aus welchen Teilen diese überhaupt besteht – anhand von klassischen Bizeps Curls wird es anschaulicher.

Konzentrische Phase: Der Muskel erzeugt eine Kraft, um den Widerstand zu überwinden, der auf ihn ausgeübt wird – technisch gesehen verkürzt er sich. Am Beispiel eines Bizeps Curls heißt das: Du bewegst den Arm nach oben, dein Bizeps spannt sich an.

Isometrische Phase: Hier sind die von den Muskeln erzeugten Kräfte gleich dem Widerstand. Ergo: keine Bewegung. Die Spitzenkontraktion findet statt. In dieser Phase sind deine Arme beim Curlen angewinkelt, die Hanteln befinden sich am höchsten Punkt.

Exzentrische Phase: Dein Muskel verlängert sich, während du das Gewicht absenkst. Hier ist es wichtig, aktiv gegen die Schwerkraft zu arbeiten und die „Negative“ zu kontrollieren. Beim Curlen streckst du an dieser Stelle deine Arme aus.

Eine einzelne Wiederholung besteht also aus einer flüssigen Abfolge dieser drei Phasen. In der Regel dauert jene bei den allermeisten Menschen insgesamt zwei bis vier Sekunden: ein bis zwei Sekunden konzentrisch, null Sekunden isometrisch, ein bis zwei Sekunden exzentrisch. Was passiert, wenn du nun dieses Tempo veränderst?

Schnelle oder langsame Wiederholungen für den Muskelaufbau?

Langsame Wiederholungen (circa über vier Sekunden/Wiederholung)

Wenn du die Geschwindigkeit reduzierst, erhöht sich die sogenannte Time Under Tension (TUT) – also die Zeit, in der dein Muskel unter Spannung steht. Eine hohe TUT wird allgemeinhin mit einem größeren Muskelwachstum assoziiert. Die Übung langsam auszuführen, hält dich außerdem davon ab, das Gewicht mit Schwung zu bewegen – was deinen Gains abträglich wäre.

Schnelle Wiederholungen (circa unter zwei Sekunden/Wiederholung)

Je schneller du eine Übung ausführst, umso mehr Wiederholungen schaffst du. Das steht fest! Ein hohes Tempo ermöglicht es dir überdies, mehr Gewicht zu bewegen. In Kombination ergibt das ein höheres Trainingsvolumen als bei langsamen Reps. Grundsätzlich wird auch dies bis zu einem gewissen Punkt („junk volume“) mit stärkerem Muskelwachstum in Verbindung gebracht. Unterm Strich sprechen also Argumente für schnelle, aber auch für langsame Wiederholungen für den Muskelaufbau. Um herauszufinden, was effektiver ist, werfen wir einen Blick auf die Wissenschaft.

Studie ermittelt ideales Tempo für Muskelaufbau

Im Jahr 2015 hat sich eine Metaanalyse mit der „Wirkung der Wiederholungsdauer während des Widerstandstrainings auf die Muskelhypertrophie“ beschäftigt. Gut zu wissen: Bei einer Metaanalyse handelt es sich um ein statistisches Verfahren, welches die Ergebnisse mehrerer Studien zum selben Thema zusammenfasst und bewertet.

Die Analyse ergab, dass eine Dauer zwischen 0,5 und acht Sekunden die ideale Zeitspanne für eine einzelne Wiederholung darstellt, wenn man das Ziel Muskelaufbau verfolgt. Es macht demzufolge keinen Unterschied, ob du deine Reps schneller oder langsamer als „normal“ (zwei bis vier Sekunden) ausführst – sofern du dich innerhalb dieser Range bewegst. Außerdem heißt es wörtlich: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Training mit gewollt sehr langsamer Dauer (über zehn Sekunden pro Wiederholung) aus Sicht der Hypertrophie unterlegen ist.“

Der Haken an der Sache: Es konnten keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen werden, weil es nicht genug kontrollierte Studien zu diesem Thema gab. Was wir allerdings festhalten können, ist der Grund, warum extrem langsame Wiederholungen suboptimal zu sein scheinen.

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Extrem langsame Wiederholungen ineffektiv

Es gibt zwei Typen von Muskelfasern: langsame und schnelle. Der langsam zuckende („slow twitch“) Typ 1 ist der Marathonläufer unter den Muskelfasern. Belastungen von mehr als 30 Minuten können ihm nichts anhaben, weil er überaus ermüdungsresistent und regenerationsfähig ist. Dafür besitzt er aber wenig Kraft, ein geringes Volumen, kontrahiert sehr langsam und – weist weniger Wachstumspotenzial auf!

Die schnell zuckenden („fast twitch“) Typ-2-Muskelfasern mit einem dickeren Volumen unterteilen sich in zwei Arten: 2a-Fasern ermüden langsam, kontrahieren relativ schnell und werden zumeist bei Belastungen unter 30 Minuten beansprucht (beispielsweise Mittelstreckenlauf). Der Typ 2b ist schnell kleinzukriegen, aber ist umso kraftvoller und zeichnet sich durch eine sehr hohe Kontraktionsgeschwindigkeit aus. Er ist für Belastungen unter 60 Sekunden zuständig, wie dem Gewichtheben.

Weil dein Körper intelligent ist, rekrutiert er vorrangig jene Muskelfasern, die eine geringe Reizschwelle besitzen und gleichzeitig am wenigsten Energie verbrauchen. Wenn du also beim Training viel Kraft aufwendest, versucht dein Körper zunächst, die Belastung mit den kleineren Typ-1-Muskelfasern zu bewältigen – vergeblich. Also werden mit zunehmender Reizschwelle mehr von Typ-2a und zuletzt -2b aktiviert. Diese Schwelle steigt, sobald du ein hohes Trainingsgewicht bewegst, schnelle Bewegungen machst und dich dem Muskelversagen näherst. Ergo: Extrem langsame Wiederholungen (circa über zehn Sekunden) und damit einhergehend ein kleineres Trainingsgewicht, rekrutieren in der Regel weniger motorische Einheiten.

Übermäßig schnelle Reps ebenfalls suboptimal

Übertrieben in die Länge ziehen solltest du deine Reps also nicht. Aber wie so oft, ist das andere Extrem für einige auch keine gute Idee – selbst, wenn die angeführte Metaanalyse eine Zeitspanne von einer halben Sekunde als okay einstuft.

Bei extrem schnellen Wiederholungen kann es nämlich zur Vernachlässigung der sogenannten Mind-Muscle-Connection kommen. Klar, wenn du nur einen Wimpernschlag pro Rep brauchst, ist es schwieriger, den Zielmuskel intensiv zu treffen. Das gilt vor allem für Anfängerinnen und Anfänger. Hinzukommt, dass ein schnelles Tempo für eine mangelnde Kontrolle der exzentrischen Phase („die Negative“) sorgen kann – du lässt die Schwerkraft für dich arbeiten. Nicht zuletzt erhöht sich das Verletzungsrisiko. Ja, was denn nun?

Vielfalt als Chance für Muskelaufbau

Schnelle oder langsame Wiederholungen für den Muskelaufbau – was ist denn jetzt besser? Weder noch. Diese Antwort ist unbefriedigend, aber entspricht beim derzeitigen Wissenstand den Tatsachen. Es ist nun mal nicht alles schwarz und weiß. In der Praxis heißt das für dein Training:

Sofern die Technik sitzt, du den Muskel gezielt aktivierst und die Negative kontrollierst, kann die Geschwindigkeit einer einzelnen Wiederholung schneller als „normal“ sein. Das heißt, weniger als zwei bis vier Sekunden dauern. Weniger als eine halbe Sekunde ist ohnehin kaum möglich – außer du führst ein Zweitleben als Blitz. Abgesehen davon, scheinst du nichts damit falsch zu machen, eine moderate bis langsame Geschwindigkeit von bis zu acht Sekunden für eine Rep aufzuwenden. Damit erhöhst du zumindest die Time Under Tension.

Es wäre daher eine Überlegung wert, verschiedene Geschwindigkeiten in deine Trainingsroutine zu integrieren. Eine Vielfalt an Tempi stellt sicher, dass du sowohl die Vorteile von langsamen als auch von schnellen Wiederholungen abgreifst. Es bietet sich an, die Dauer einer Wiederholung je nach Übung auf deine persönlichen Schwächen und Ziele abzustimmen. Du spürst den Zielmuskel nicht? Dann nimm dir etwas mehr Zeit und baue ein kurzes isometrisches Halten der Spitzenkontraktion ein. Erhöhe das Tempo, wenn du neben dem Muskelaufbau an deiner Explosivität arbeiten möchtest, beispielweise beim Bankdrücken. In diesem Fall minimierst du die Dauer der konzentrischen Phase – drück die Langhantel möglichst schnell nach oben.

Fazit: Weder schnelle noch langsame Wiederholungen sind effektiver für den Muskelaufbau. Es kommt immer auf dein Trainingsniveau, deine Stärken und Schwächen sowie deine Ziele an. Im Allgemeinen liegt die Vermutung nahe, dass sich beide Extreme kontraproduktiv auf das Muskelwachstum auswirken. Um auf Nummer sicher zu gehen, solltest du für eine Wiederholung mehr als eine Sekunde, aber im Idealfall nicht länger als acht Sekunden aufwenden. Letztlich stellt eine Vielfalt an Geschwindigkeiten einen wirkungsvollen Ansatz für deine Gains dar.