Anabole Abstinenz
Sex & Masturbation schlecht für den Muskelaufbau?
Würdest du zugunsten des Muskelaufbaus auf die schönste Nebensache der Welt verzichten? Hauptsache der Bizeps wächst! Bei uns erfährst du, welchen Einfluss sexuelle Aktivität auf das Muskelwachstum ausübt und wann der beste Zeitpunkt für einen Orgasmus ist.
- Sex und Masturbation sorgen lediglich für eine kurzzeitige Abnahme deines Testosteronspiegels – ob dieser am oberen oder unteren Ende des Normbereichs liegt, hat allerdings eh keine Auswirkung auf den Muskelaufbau
- In Ejakulat steckt zwar unter anderem eine beachtliche Menge Zink, der Nährstoffverlust durch einen Orgasmus ist allerdings verschwindend gering und wirkt sich nicht auf das Muskelwachstum aus
- Der Einfluss von Sex und Masturbation auf den Muskelaufbau ist alles in allem zu vernachlässigen, wenn circa ein bis zwei Stunden zwischen Orgasmus und Training liegen
Eigenschaften von Testosteron
Bei Testosteron handelt es sich um das wichtigste männliche Geschlechtshormon (Androgen). Es wird hauptsächlich in den Hoden produziert. Frauen profitieren ebenfalls von seiner Wirkung und stellen es in den Eierstöcken und der Nebennierenrinde her. Ihr Testosteronspiegel ist allerdings zehn- bis 20-mal niedriger. Außerdem entsteht das Sexualhormon im weiblichen Körper aus Vorstufen von anderen Androgenen.
Bei Männern sorgt Testosteron für die Entwicklung des Penis und der Hoden und ist für den Rest ihres phänotypischen Aussehens, die Samenproduktion und die Steuerung der Libido verantwortlich. Auch bei Frauen fördert Testosteron die Lust auf Sex. Geschlechtsunspezifisch stärkt es die Knochen, unterstützt den Cholesterin-Abbau, sorgt für Antrieb – und ist wichtig für den Muskelaufbau.
Das verleitet viele zu der Annahme, dass aus mehr Testosteron auch mehr Muskeln resultieren. Im Umkehrschluss nehmen einige Hobbysportlerinnen und -sportler an, dass sich das Absinken des Testosteronspiegels nach dem Orgasmus negativ auf das Muskelwachstum auswirkt. Bevor sich dieser Verdacht erhärtet, wollen wir uns die Zusammenhänge einmal genauer ansehen. Welchen Einfluss haben Sex und Masturbation wirklich auf den Muskelaufbau?
Auswirkungen deines Testosteronspiegels
Die Höhe des Testosteronspiegels schwankt bei uns allen im Tagesverlauf. Morgens und vormittags ist er sowohl bei Männern als auch bei Frauen am höchsten. Gegen Abend liegt in der Regel am wenigsten Testosteron vor. Während der Masturbation und beim Sex steigt der Testosteronspiegel an und erreicht beim Orgasmus seinen Höhepunkt. Danach sinkt das Testo wieder auf normale Werte zurück – normal und nicht ungewöhnlich niedrig. Das Absinken begründet sich also lediglich im vorherigen Anstieg. Fest steht, dass diese Schwankungen vollkommen natürlich sind. Was bedeutet das nun aber für deine Gains?
Solange sich dein Testosteronspiegel im Normbereich befindet, hat es keinen Einfluss auf den Muskelaufbau, ob er sich am unteren oder am oberen Ende befindet. Wichtig für das Wachstum von Muskulatur ist nur, dass ein normaler Testosteronwert vorliegt. Das sind bei Frauen 0,15 – 0,55 Mikrogramm/Liter und bei Männern 3,5 – 9,0 Mikrogramm/Liter. Ein Mangel kann durchaus mit einem Abbau von Muskelmasse einhergehen. Sexuelle Aktivität hat also keinen langfristigen Einfluss auf deinen Testosteronspiegel und somit keinen negativen auf das Muskelwachstum. Warum jedoch hält sich der Irrglaube „Je mehr, testo besser“ bloß so hartnäckig?
Erst wenn du deinen Testosteronspiegel mithilfe anaboler Steroide weit über den Normbereich hinaus erhöhst (beispielsweise um 600 Prozent), kommt es zu einem stärkeren Muskelaufbau. Diese unnatürlich hohen Werte kannst du leider nicht durch den Verzicht auf Sex und Masturbation erzielen. Eine klein angelegte Studie bestätigt dies. Nach sieben Tagen ohne Ejakulation stieg der Testosteronspiegel der männlichen Probanden zwar an, aber auch „nur“ um 145,7 Prozent. Nach diesem Peak kehrte der Testosteronwert trotz fortwährender Enthaltsamkeit innerhalb kürzester Zeit wieder zum Ausgangswert zurück. Aber freu dich jetzt nicht zu früh darüber, dass dein Sexleben kein Abturner für deine Muskeln ist.
Orgasmus vor dem Training vermeiden
Abseits vom Testosteronspiegel können Sex und Masturbation tatsächlich einen Einfluss auf den Muskelaufbau ausüben – nämlich wenn du unmittelbar danach trainierst. Das liegt am Hormon Prolaktin, das Männer und Frauen nach dem Orgasmus ausschütten. Prolaktin unterdrückt das „Wohlfühlhormon“ Dopamin. Dieses wiederum wirkt sich positiv auf deine Libido, die Motivation und sogar die Stimmung aus. Der verringerte Dopaminspiegel ist daran schuld, dass du nach dem Höhepunkt in ein Tief fällst und dich mitunter schläfrig, träge und unmotiviert fühlst („postkoitale Müdigkeit“). Frauen kann es genauso ergehen. Sie geben jedoch häufiger als Männer an, dass sie sich nach einem Orgasmus sogar wacher und angeregter fühlen – who run the world? Girls!
Der Zeitraum, der nach dem Höhepunkt kommt, wird als „Refraktärphase“ bezeichnet. Wann der Prolaktinspiegel wieder Normalwerte erreicht, ist von Person zu Person unterschiedlich. Bei jüngeren kann es zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden dauern. Mit zunehmendem Alter verlängert sich die Phase. Im Allgemeinen kehren die Hormone nach der Masturbation schneller aufs Ausgangsniveau zurück als nach dem Sex. So weit, so gut. Als Frau musst du dir also seltener Sorgen machen, aber was bedeutet das für die Gains der Jungs?
Sex und Masturbation richtig timen
Um die idealen Voraussetzungen für den Muskelaufbau zu schaffen, solltest du voller Energie ins Training starten. Postkoitale Müdigkeit könnte im schlimmsten Fall für eine halbherzige Trainingseinheit und das auf Dauer für fehlende Progression und ausbleibendes Muskelwachstum sorgen. Daher ist es ratsam, dass du nicht vom Bett ins Gym fällst. Eine Metaanalyse hat ergeben, dass die Leistung im Spitzensport nicht beeinflusst wird, wenn zumindest zwei bis drei Stunden zwischen Sex und intensivem Training liegen – für Hobbysportlerinnen und -sportler sollten ein bis zwei Stunden reichen.
Im Gegenzug kann sich ein Orgasmus aufgrund der entspannenden Wirkung auch positiv auf deinen Schlaf auswirken. Denn ein Höhepunkt beeinflusst nicht nur den Prolaktin- und Dopaminspiegel, sondern lässt auch deinen Cortisolspiegel sinken – wirkt also Stress reduzierend. Außerdem führt er zur Ausschüttung des Hormons Oxytocin. Diese Kombination sorgt für einen tiefen Schlaf. Und wie wir alle wissen, werden Muskeln nicht während des Trainings, sondern im Zuge der Regenerationsphase aufgebaut. Das heißt unterm Strich: Training, Sex, Sleep – repeat. Neben dem Mythos „Kein Sex vor dem Wettkampf“, hält sich noch ein anderer hartnäckig.
Nährstoffverlust durch Ejakulation?
Mit einer Ejakulation gehen wichtige Nährstoffe verloren, welche dir beim Muskelaufbau fehlen – so zumindest die Meinung einzelner. Zugegeben, das klingt erst mal abgefahren. Ist dieser Mythos wirklich so weit hergeholt? Dazu müssen wir uns die Zusammensetzung des Spermas ansehen.
Bei einem Orgasmus geben Männer im Durchschnitt 3,4 Milliliter davon ab. Das entspricht in etwa einem Teelöffel. Der Hauptbestandteil des Ejakulats ist Fructose. Sie dient den Spermien als Energiequelle. Weitere Inhaltsstoffe sind diverse Elektrolyte. Neben Calcium und Magnesium enthält es pro 100 Milliliter 16,5 Gramm Zink. Verglichen mit dem Zinkgehalt relevanter Lebensmittel wie Eier (13 Milligramm), Kakaopulver (8,4 Milligramm) oder Kürbiskerne (7 Milligramm), ist das eine beachtliche Menge – vor allem, wenn man den Tagesbedarf an Zink von 8 Milligramm von Frauen und 14 Milligramm von Männern kennt.
Doch rechnet man den Zinkgehalt pro 100 Milliliter auf eine einzelne Ejakulation runter, bleiben nur noch 0,561 Milligramm davon übrig. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Nährstoffen. Auch vom Protein (5,04 Gramm pro 100 Milliliter Sperma) bleiben bei einem Orgasmus (à 3,4 Milliliter) nur noch 0,171 Gramm über – das sind gerade mal 0,1 Prozent des täglichen Eiweißbedarfs eines 85 Kilo schweren Mannes (bei 2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht).
Ejakulat mag also in der Tat ziemlich nährstoffreich sein und tatsächlich wäre ein Mangel an Eiweiß, Magnesium, Zink und Calcium hinderlich für das Muskelwachstum. Aber wenn man die Werte erst einmal auf einen einzelnen Höhepunkt runterrechnet, wird klar, dass der damit einhergehende Nährstoffverlust verschwindend gering ist. Selbst, wenn du mehrmals am Tag die Freude haben solltest. Sex und Masturbation haben also auch diesbezüglich keinen negativen Einfluss auf den Muskelaufbau.
Fazit: Dein Sexleben hindert dich nicht daran, Muskelberge aufzubauen – selbst, wenn deine Lust regelmäßig in einem Höhepunkt gipfelt. Das liegt daran, dass dein Testosteronspiegel durch sexuelle Aktivität nicht langfristig beeinflusst wird. Abgesehen davon, spielt es keine Rolle, ob er am oberen oder am unteren Ende des Normbereichs liegt. Auch am Nährstoffverlust durch Ejakulationen ist nichts dran. Was du jedoch beachten solltest, ist der Zeitpunkt deiner Sexy Time. Im Idealfall liegen nicht weniger als ein bis zwei Stunden zwischen Orgasmus und Training. Unterm Strich baust du also nicht mehr Muskelmasse auf, wenn du Sex und Masturbation aufs Härteste vermeidest.