Bobfahrerin Mariama Jamanka holte 2018 Olympia-Gold in Pyeongchang
27. August 2018
von PIERRE SCHOBER

Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka

„Ich muss meinen Körper nicht im Zelt verstecken.“

Unglaubliche 64 cm Oberschenkelumfang – in Worten: VIERUNDSECHSZIG! Bei den Oberschenkeln von Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka (28) wird so mancher Fußballer neidisch werden. Zum Vergleich: Brasiliens „um-die-Ecke-schießender“ Ex-Fußball-Star Roberto Carlos (45) kam in seiner aktiven Karriere auf 68 cm. Der Umfang von Bayern-Profi Thomas Müller (28) ist nicht bekannt. Ist wohl auch besser so.

Wir treffen Mariama während ihres Trainingslagers im Bundesleistungszentrum in Kienbaum. Im Kraftraum gewährt sie uns Einblicke in ihr Training – wir sind nachhaltig beeindruckt.

LOOX: Wir sind hier in Kienbaum. Idylle. Ruhe. Schüttelt man eher den Kopf oder lächelt man, wenn man von den „Champagne Problems“ der Fußballer liest, denen in Russland der Komfort vergangener WM-Quartiere gefehlt hat?

Mariama: Für die meisten Nicht-Fußballer ist ihr Sport eine komplett andere Welt. Der Alltag eines Fußballers ist mit unserem überhaupt nicht zu vergleichen. Wenn man die Schlagzeilen von, nennen wir es mal „High-Society-Problemen“ liest, fällt es anderen Sportlern schon schwer, sich damit zu identifizieren. Das hat überhaupt nichts mit unserem Alltag zu tun.

Wie sieht denn der Alltag einer Weltklasse-Bobfahrerin aus?

Bei mir ist der Alltag komplett auf den Sport ausgerichtet. Ich habe meine Stelle bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Oberhof (Thüringen). Das heißt, ich muss einmal im Jahr zum Bundeswehrlehrgang und bin ansonsten freigestellt für den Sport. Ich trainiere zweimal am Tag, sorge dafür, dass ich meine drei Mahlzeiten am Tag bekomme und sportgerecht lebe. Ich habe kein exzessives Freizeitleben, wie vielleicht viele andere Menschen. Ich kann nicht nächtelang feiern, trinken, auf Festivals gehen. Man macht das sicher auch, aber sehr reduziert. Für die Sportlerkarriere ist Oberhof im Thüringer Wald der perfekte Ort.

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Und wie schaltest du ab?

Ich treffe mich mit Freunden, gehe gerne ins Kino oder mache auch sonst gerne Sport. Ich spiele Squash, gehe schwimmen oder klettern. Ich lese extrem viel. Das mache ich eigentlich die ganze Zeit. Ich habe einen Tolino, da sind 700 Bücher drauf.

Wenn jetzt hier in Kienbaum 100 Mariamas wären. Würde sich ein McDonald’s-Restaurant lohnen?

Das würde schon reichen, wenn sie McFlurry haben (lacht).

Erkläre uns doch mal dein Sportgerät. Viele haben ja überhaupt keine Vorstellung davon.

Ein Frauen-Bob hat ein Mindestgewicht von 170 Kilo. Das Maximalgewicht mit Besatzung liegt bei 325 Kilo – es wird vor jedem Wettkampf gewogen, ist technisch sehr anspruchsvoll, jedoch ohne elektronische Hilfsmittel. Wir haben weder Sitze noch Lenkrad und steuern die Vorderkufen über Lenkseile. Ein Zweierbob kostet zwischen 40.000 und 75.000 Euro. Ein Viererbob ist noch teurer. Wir erreichen Geschwindigkeiten von über 150 km/h, abhängig von der Bahn. Die schnellste Bahn ist Whistler in Kanada, in Europa ist es St. Moritz, die einzige Natureisbahn. In Deutschland gibt es drei Bob-Bahnen. Am Königssee, in Winterberg und Altenberg. Die vierte Bahn in Oberhof ist nur für Rodel- und Monobob-Weltcups zugelassen und dient uns daher nur für Trainingszwecke. Unsere Saison geht von Oktober bis Februar bzw. März und jedes Jahr gibt es eine Welt- und Europameisterschaft.

Volle Konzentration beim Umsetzen. Mithilfe eines Spiegels erfolgt die Selbstkontrolle. Nach jedem Durchgang wird das Gewicht erhöht
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Volle Konzentration beim Umsetzen. Mithilfe eines Spiegels erfolgt die Selbstkontrolle. Nach jedem Durchgang wird das Gewicht erhöht

Wie lange machst du nach einer Saison Pause?

Normalerweise circa. einen Monat. Dann geht es wieder mit dem Training los. Meistens habe ich in der Zeit auch meine Bundeswehrlehrgänge. Wir bekommen oft die Frage gestellt: „Was macht ihr im Sommer?“. Die Antwort ist: trainieren. Das ist unsere Haupttrainingszeit. Hier erarbeiten wir uns die ganze Athletik, die wir für den Start brauchen.

Wie läuft ein Trainingslager, knapp zwei Monate bevor die Saison losgeht, ab?

Ein Trainingslager ist dafür da, dass man noch einmal eine Spitze setzt, nochmal intensiver trainiert. Teilweise trainieren wir uns auch „in den Keller“. Über einen Zeitraum von zehn Tagen trainieren wir hier – in der Regel zweimal am Tag. Mal ist ein Nachmittag frei. Es geht darum, noch einmal ein paar Zehntel herauszukitzeln. Damit fangen wir ein paar Wochen vor dem ersten Saisonhöhepunkt, dem zentralen Leistungstest, an. Wir fahren hierfür ins Bundesleistungszentrum nach Kienbaum. Hier haben wir die optimalen Voraussetzungen mit Kältekammer, Eisbecken, Physio, etc.

Power für die Oberschenkel - Jump Squats gehören zum Beintraining dazu
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Power für die Oberschenkel - Jump Squats gehören zum Beintraining dazu

Wie sieht ein Krafttraining bei dir aus?

Beim Krafttraining unterscheiden wir stets zwischen Unter- und Oberkörper. In den Haupttrainingseinheiten widmen wir uns dem Unterkörper, da wir hauptsächlich unsere Beine brauchen. Oft machen wir Squats, Ausfallschritte, Umsetzen, Beinpresse sowie verschiedene Übungen für den Beinbeuger, Hüftbeuger, Strecker, Adduktoren, Abduktoren und Waden. Jede Einheit wird individuell geplant. Wir haben pro Woche circa. dreimal Krafttraining für die Beine. Dazu kommt das Oberkörpertraining u.a. mit Bankdrücken, Klimmzügen oder Dips.

Wie viel drückst du?

Ich bin ziemlich schlecht im Bankdrücken. Circa 75 Kilo.

Bei der Beinpresse?

250 Kilo – hängt ein wenig von der Maschine ab.

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Wie froh ist man, wenn die Saison wieder richtig losgeht und die Vorbereitungsqualen abgeschlossen sind?

Wir machen ja auch im Winter weiter unser normales Training. Es kommt nur das Bahntraining hinzu. Wir versuchen dennoch, einmal am Tag unser Athletiktraining – Kraft oder Sprint – durchzuführen. Es ist natürlich schön, wenn die Saison losgeht. Das Problem am Wintersport ist leider, dass man nur auf ein paar Monate im Jahr festgelegt ist. Wir sind alle Wettkampfsportler und haben nur diese fünf Monate im Jahr. Den Rest der Zeit trainieren wir nur. Da scharrt man mit den Hufen und will endlich wieder loslegen.

Du bist Berlinerin. Berlin ist jetzt nicht das Epizentrum des Wintersports. Wie wird man als Flachlandtirolerin die aktuell beste Bobfahrerin der Welt?

Im Endeffekt ist es so, dass man jemanden kennt, der jemanden kennt. Bobfahrer sind eigentlich immer ehemalige Leichtathleten, Rodler oder Skeletonfahrer. Es ist im Prinzip eine klassische Zweitsportart. Man darf es auch erst ab 18 Jahren ausüben. Bei mir war es so, dass mein Leichtathletiktrainer jemanden aus dem Bobbereich kannte und ihn angesprochen hat, ob er mich nicht einmal scouten möchte.

Du bist jetzt 28 – wie lange möchtest du noch fahren?

Ich habe mir schon vor Jahren Peking (Anmerkung der Redaktion: Olympische Winterspiele 2022) als Ziel gesetzt und dann ist Ende. Vier Jahre sind eine lange Zeit. Ich bin dann nach der Saison 31 und ich denke, dass das für den Bobsport eine gute Zeit ist, um aufzuhören. Ich bin bisher immer – toi, toi, toi – ziemlich verletzungsfrei durchgekommen, aber man weiß nie, ob das so weitergeht. Olympia wäre ein guter Abschluss und dann wende ich mich anderen Dingen zu.

Bevor es an die Gewichte geht, wird sich ausgiebig gedehnt
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Bevor es an die Gewichte geht, wird sich ausgiebig gedehnt

Was meinst du mit anderen Dingen?

Erst mal ein Studium. Man muss sich ja auch irgendwann damit beschäftigen, wie man nach dem Sport sein Geld verdienen will. Als Sportler verzichtet man auf viele Dinge oder erlebt sie nur reduziert.

Gehen wir einmal weg vom Training. Du hast ja nun den perfekten Körper für eine Bobfahrerin. Stört dich das manchmal?

Als Frau möchte man natürlich für gewöhnlich nicht so große, muskulöse Beine haben. Oder auch Rücken, Schulter und Nacken sieht bei mir jetzt auch nicht so aus, wie sich das die meisten Frauen für sich wünschen. Im Endeffekt finde ich Muskeln bei Frauen gut, finde auch muskulöse Frauen schön. Für den Sport ist es das Beste, was ich machen kann. Es ist halt so. Und so lange ich diesen Sport mache, werde ich deswegen nicht weinen. Im Endeffekt geht meine Figur (lacht). Ich finde sie nicht so schlimm. Da muss man sich aussuchen, was man will.

Wie sieht es aus, wenn du weggehst? Trägst du dann auch hohe Schuhe?

(Lacht) Grundsätzlich ja. Aber ich komme nun auch in ein Alter, wo ich es mir überlegen muss, ob ich den ganzen Tag auf hohen Schuhen rumlaufen will. Aber ansonsten mag ich es gerne, hohe Schuhe anzuziehen. Ich trage auch gerne Kleider. Es ist schon fast etwas Besonderes, wenn man den ganzen lieben langen Tag in Sportklamotten rumläuft. Durch das Umfeld, in dem man sich bewegt, trägt man eher Jogginghose, wenn man keine Sporthose trägt. Es ist schön, wenn man mal etwas anderes anziehen kann.

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Nach deinem Olympiasieg wurden Urlaubsbilder von dir ja auch von der Klatschpresse aufgegriffen. Macht dir das Spaß, dich dann auch mal am Strand zu zeigen?

Ich bin ein normales Mädchen (lacht) und Mädchen machen Fotos von sich am Strand. Ich muss meinen Körper nicht in einem Zelt verstecken. Ich mag Sommer, Sonne, Strand. Dann macht man halt auch Fotos von sich. Ich bin jetzt niemand, der sich für den Playboy ausziehen muss, aber ich glaube, es gibt Schlimmeres, als mich am Strand.

Wie sieht es bei dir privat aus? Hast du einen Freund?

Nein, momentan nicht. Ich konzentriere mich auf den Sport und alles andere ergibt sich.

Nach jeder Übung hält Mariama Rücksprache mit ihrem Trainer Martin Putze, selbst Olympia-Sieger von Turin 2006
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Nach jeder Übung hält Mariama Rücksprache mit ihrem Trainer Martin Putze, selbst Olympia-Sieger von Turin 2006

Wenn LOOX jetzt eine Kontaktanzeige für dich aufgeben sollte. Was müsste denn drinstehen?

Oh Gott (lacht).

Kein Sportler?

Doch, sportlich sollte er schon sein. Aber schlussendlich muss es einfach klick machen.

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