„Holy Shit, das ist ein fettes Buch!“
Björn Werners American Football Dream
NFL ist, wenn ein Bär von einem Mann ein Ei auf so eine geile Art und Weise in die End Zone des Gegners bringt, dass man als Fan nur staunend danebensteht und sich fragt, wie so ein 120-Kilo-Koloss eigentlich so schnell rennen kann. Einer, der die Antwort genau kennt, ist Ex-NFL-Profi Björn Werner (30). Der einzige deutsche Erstrunden-Pick der Geschichte ist nun auch Buchautor. LOOX verrät er im Interview, ob sein „Chalet in Brandenburg“ ihn von einer Transformation à la Sebastian Vollmer abhält und welche Muskelgruppe von der Jugend fahrlässig vernachlässigt wird.
Björn, du bist gerade mal 30 Jahre alt. Wenn du als Kommentator unterwegs bist, wie sehr juckt es dich in den „Schlepphoden“, wieder einzusteigen?
Geile Frage, das ist eine gute Frage (lacht)! Schwer zu beantworten. Du vermisst eher die Sachen drum herum: in der Umkleide sein, den ganzen Scheiß, den du mit deinen Kollegen redest, diese Momente, in denen du dich einfach totlachst. Und natürlich wenn man sieht, wie ein Quarterback gesackt wird. Das sind einfach diese absolut geilen Momente, in denen du dir „woah geil“ denkst, „noch einmal diesen Moment stehen.“ Aber in der nächsten Sekunde erinnert man sich daran, was man alles über die Jahre einstecken muss, um auf diesem Niveau zu spielen. Das vermisst man auf jeden Fall nicht mehr. Aber es ist super, mit dem Podcast, dem Buch, der Doku, dem Kommentieren noch so nah dran zu sein.
Du bist ja tatsächlich nicht nur mit dem Buch, sondern auch mit allen anderen Aktivitäten komplett im Football drin. Was hat sich für dich verändert, seit du nicht mehr in der NFL spielst?
Die Leidenschaft an sich hat sich gar nicht verändert. Ich würde sogar sagen, dass sie sich im Allgemeinen verfeinert hat. Ich habe jetzt viel mehr Zeit, in diese NFL-Welt einzutauchen. Denn ich bin ganz ehrlich: Wenn du in der NFL spielst, guckst du nicht jedes Spiel am Wochenende. Du schaust auf die Scores, kriegst die Highlights oder Top Performances mit, die dir die Medien bieten. Aber du guckst nicht jede Zusammenfassung jedes Spiels in jeder Woche. Es ist einfach etwas ganz anderes, wie ich die NFL jetzt verfolge und wie ich sie als aktiver Spieler verfolgt habe.
Du hast jetzt Zeit dazu, Fan zu sein.
Es ist eine Kombination aus Fansein und auf die eigenen Erfahrungen zurückblicken, weil du mal da warst.
Und genau da dockst du ja auch mit deinem Buch an. Wir haben jetzt 2020. Das steht für Corona, Lockdown, die Leute lesen immer mehr Bücher. Wieso sollte ich jemandem dein Buch zu Weihnachten schenken?
Das Buch ist für Football-Fans, die schon mal ein Spiel geguckt haben und davon fasziniert sind. Im Fernsehen bekommt man die oberflächlichen Sachen mit. Ab und zu geht mal ein Experte – und vor allem wenn ich da sitze – in deine Story rein. Aber als ich für dieses Buch mein Leben von Anfang an chronologisch durchgegangen bin, habe ich selbst erst realisiert, was ich eigentlich in den zwölf Jahren und in den paar Jahren in Berlin, bevor ich abgehauen bin, alles erlebt habe. Das haben viele ihr ganzes Leben lang nicht erlebt, so einen Schwung an Emotionen und Ereignissen. Im Nachhinein haben der Verlag und Nils Weber – mein Ghostwriter – gesagt, dass sie einen Zweiteiler daraus gemacht hätten, wenn sie vorher gewusst hätten, dass so viel gutes Material dabei rumkommt.
Was macht das Buch denn so gut und besser als andere auf dem Markt?
Es enthält Insider-Informationen, die du nirgendwo in Deutschland finden wirst. Nur in diesem Buch bekommen Fans solche Insights: Wie war es denn beim Draft in New York, da hinten zu sitzen? Wie war es am Ende meiner Karriere mit den Colts? Alle denken ja immer, ich wäre Colts-Fan. Ich bin dankbar, dass sie mir die Chance gegeben haben, aber – ich bin ganz ehrlich – es kam zu Situationen, aus denen wir nicht gut auseinandergegangen sind. Das sind Sachen, für die du im Fernsehen und im Podcast gar keine Zeit hast. Jeder Football-Fan, der sich dieses Buch holen wird, wird sagen: „Holy Shit, das ist ein fettes Buch. So was haben wir noch nicht gehabt.“ Das garantiere ich (lacht).
Im Buch beschreibst du, wie du es von den Berlin Adlern in die NFL geschafft hast. Das scheint eigentlich unmöglich zu sein. Wenn der Qualitätsunterschied zwischen allen anderen Ligen oder zwischen Europa und Amerika so riesig ist, wie kann man es denn heute als 16-Jähriger in die NFL packen?
Du brauchst die richtigen Mentoren in deinem Umkreis. Es fängt natürlich bei den ganzen Sportvereinen an. Die Coaches müssen realisieren, dass die Interessen der Spieler im Vordergrund stehen und sie unterstützen. Das heißt, wenn jemand Talent hat, muss man es fördern. Und leider wird es in Deutschland im Allgemeinen vom Verband nicht gefördert, nach Amerika zu gehen.
Wie war das bei dir?
Ich hatte sehr großes Glück, weil mein Coach Jörg Hoffmann mein Talent sehr früh gesehen und gepusht hat. Er hat gesehen, womit er mich besser machen kann – ich hatte sehr viel Eigenmotivation. Aber es kann dir halt nicht jeden Tag jemand in den Arsch treten. Wenn du gut sein möchtest, musst du selbst Sachen machen. Du musst selbst auf ein Footballfeld gehen, du musst selbst ins Fitnessstudio gehen. Die meisten trainieren zweimal die Woche, aber da geht es eher um das Playbook, um die Basics. Wenn du das nächste Level erreichen möchtest, musst du selbst Zeit abseits des Feldes, abseits der Schule investieren – und da kann dir keiner in den Arsch treten!
Was ist denn das größte Problem beim Football in Deutschland?
Wenn jemand Talent hat, braucht der Junge immer noch einen Förderer. Die Vereine müssen anfangen, das zu realisieren. Wir müssen diese Jungs unterstützen und alles dafür tun, sie nach Amerika zu schicken, denn nur so kann der Sport weiterwachsen! Als Footballspieler hast du nur ein Fenster, um nach Amerika zu kommen. Das Problem ist, dass wir das beim Football in Deutschland immer noch nicht realisiert haben. Deswegen hatte ich ja vor vier Jahren meine Organisation „Gridiron Import“ gegründet, deswegen mache ich das ja. Weil Shit, sonst macht’s keiner!
Warum schafft es der deutsche Football nicht, mit dem amerikanischen mitzuhalten?
Wir haben was weiß ich wie viele deutsche Division Eins Footballspieler da drüben, die ihr Traumleben leben, und hoffentlich schaffen es die nächsten paar Jungs rein in die NFL. Aber wir müssen die Pipeline weiter füttern. Du schaffst es im American Football nicht, auf das gleiche Level zu kommen, weil hier einfach keine Gelder fließen und Football so eine Sportart ist, für die du durchs College gehen musst. Du musst durchs College gehen, um gedraftet zu werden.
Also siehst du auch in der Gründung der ELF mit deinem „Bro“ Coach Esume keinen Schritt in die richtige Richtung?
Ich habe mit der ELF gerade nichts zu tun. Obwohl Patrick und ich ja so viele Sachen gemeinsam machen, haben wir auch noch andere Interessen, wir sind immer noch zwei verschiedene Menschen. Ich habe meine Organisation und er macht das jetzt mit der Liga, woran er schon lange arbeitet und sehr viel Leidenschaft reinpackt. Du, er ist auch noch mal eine ganz andere Generation, die involviert war mit dem AFVD oder mit dem Verband hier in Deutschland. Er hat noch mal ganz andere Erfahrungen gesammelt als ich. Generell alle, die im Football Deutschland unterwegs sind und auch sehr viel für den Sport getan haben, sind nicht glücklich darüber, wo wir gerade stehen. Deswegen fangen halt mehr Leute an, ihre Ideen umzusetzen, wenn sie die Power haben.
Was hältst du davon?
Ich bin froh, dass jetzt mal etwas gemacht wird. Es ist ein Risiko. Aber alles, was man neu startet, beinhaltet ein Risiko. Allerdings muss auch mal so was passieren, damit eingesessene Sachen, die über die Jahre nicht funktionieren, einfach mal aufgebrochen werden. Damit mal neue Gedanken in die existierenden Strukturen hineinfließen. Die ELF ist ein großes Thema, das kann ich verstehen. Aber ich bin der falsche Ansprechpartner, weil ich eine starke Meinung über die ganze Football-Situation habe und meine Erfahrungen durch die Gridiron Import Foundation gemacht habe. Mal sehen, ich hoffe es funktioniert und bringt Football nach vorne.
Kommen wir zu den Sportfragen: Auf deiner Position musstest du deine Masse schnell in Bewegung bringen können. Wie trainiert man das?
Im Football ist Beschleunigung sehr wichtig. Es ist eine Sportart, in der du innerhalb weniger Sekunden von null auf 100 gehen musst. Zwischen den Spielzügen bekommst du immer deine Recovery-Zeit. Aber du trainierst jetzt nicht wie im Fußball und joggst 10.000 Kilometer. Im Fitnessstudio trainierst du sehr viel Explosivkraft, wie ein Powerlifter. Von Squats bis Snatches und alle möglichen Sachen, aber nicht dieses Bodybuilding-Training, von wegen „ich trainiere meinen Bizeps“. Wie gut der Bizeps eines Footballspielers ist, ist ja das Unwichtigste – da kommt keine Kraft raus.
Welche Muskelgruppe ist hingegen wichtig für einen Footballer deiner Position?
Der Core, der Arsch und die Hüfte. Wie explosiv kannst du sein, damit du auf dem Footballfeld ein besserer Spieler sein kannst? Gleichzeitig musst du aber eigentlich auch wie ein Sprinter trainieren. Du musst Beschleunigung trainieren. Du musst Beweglichkeit von rechts nach links trainieren. Du musst auf kurzem Raum so schnell sein, so explosiv sein, so quick sein. Das kannst du nur hinkriegen, wenn du in allen Phasen – im Fitnessstudio, den Football-Drills, auf dem Footballfeld, aber gleichzeitig Track and Field – mit verschiedenen Übungen wie ein Sprinter trainierst. Das ist das Besondere am American Football. Ich finde es immer wieder lustig, wenn der Deutsche sagt, das sind echt krasse Fettsäcke – der Fettsack rennt schneller als du auf 100 Yards!
Wie sah denn dein Gym-Workout früher aus?
Dadurch, dass du über die Jahre so viel im Fitness bist, musst du ja mit den Trainingsplänen variieren. Wenn deine Routine immer gleich bleibt, wird sich dein Körper ja daran anpassen und nicht weiterentwickeln. Du musst immer wieder neue Wege finden, deinen Körper zu pushen. In der Off Season hattest du immer verschiedene Circles, wo du deinen Trainingsplan anpasst und deinem Körper wieder neue Sachen beibringst. Glaub mir, das war so komplex, dass man die Frage gar nicht einfach so beantworten kann. Das ist auch der Grund, warum es eine Off Season nach dem Super Bowl gibt, in der du sozusagen sechs Monate frei hast. In Anführungsstrichen frei, denn du arbeitest eigentlich an deinem Körper.
Gibt es etwas Konkretes, das du im Gym machen kannst, wenn du bereits weißt, dass du mangelndes Talent durch Fleiß ausgleichen musst?
Du willst Übungen und lässt nicht locker, ne (lacht)?! Sehr wichtig ist der Core-Bereich. Den vernachlässigen viele Athleten. Es ist sehr, sehr wichtig, den Rumpf zu trainieren und da stabil zu sein. Je stabiler du in deinem Core-, also im Rumpf-Bereich bist, ein umso besserer Athlet bist du. Das sind Sachen, die viele junge Footballspieler nicht machen. Es ist wichtig, diese kleinen Muskeln zu aktivieren, weil Jugendliche gehen immer rein und trainieren die großen Muskel-Gruppen: Brust, Beine, machen bisschen Squats. Aber sie vergessen immer die kleinen Muskeln, die dir dabei helfen, das nächste Level zu erreichen. Weil wenn du American Football spielst, trainierst du im Fitnessbereich nicht nur zum Aufbau, sondern auch zur Injury Prevention, damit du dich eben nicht verletzt.
Ja, ich lasse nicht locker – dann verrate uns doch deine drei Lieblingsübungen für den Core?
Du bist gut (lacht)! Planks sind der Standard. Jetzt mache ich eine Minute vorne und je eine Minute pro Seite und das dann dreimal. Das ist mein Ding, aber ich bin ja jetzt schon ein alter Sack (lacht). Und eine Übung, die immer reinkickt, ist dieser Ab Roller. Egal wie viel Bauch ich trainiere, davon bekomme ich immer Muskelkater. Für deine Glutes ist es natürlich noch gut, die Bridge zu machen – dich auf den Rücken zu legen, Beine ran und den Arsch langsam nach oben zu heben. Am besten noch ein Band um die Knie. Solche Übungen sind sehr wichtig, aber werden immer vernachlässigt, weil du nicht den direkten Impact spürst.
Du hast dich als „alten Sack“ bezeichnet. Ich sage, du bist gerade einmal 30. Welche Body Goals hast du noch?
Der größte Struggle ist für mich gerade, dass ich 120 Kilo wiege und eigentlich gerne auf 110 Kilo runtergehen würde. Zehn Kilo können ja einen Riesen-Unterschied machen, wie sich die Knie, der Rücken und der Körper generell anfühlen, wenn man das alles mitschleppt. Ich mache noch sehr viel Sport, aber das Problem ist, was mein Körper schon alles mitgemacht hat, vor allem was den Stoffwechsel angeht. Wie viel ich trainiert habe, wie ich mich ernährt habe. Er hat sich an etwas gewöhnt, was ich nicht mehr habe. Jetzt ist es natürlich eine Challenge, meinen Körper zu pushen, ohne meine Gelenke weiter kaputt zu machen, aber den Stoffwechsel anzuregen … puh, das ist eine Challenge, die ich noch nicht überwunden habe, aber ich bin gerade dabei (lacht).
Was hält dich, abgesehen von deinen Schmerzen und dem „Chalet in Brandenburg“, von einer Transformation à la Sebastian Vollmer ab?
Das ist generell unsere DNA (lacht)! Sebastian Vollmer war ein Schwimmer, das wissen viele nicht. Er musste sich Sachen anfressen, damit er auf sein Gewicht kommt. Glaub mir, ich war immer der Moppelige, der einen Cheeseburger isst und ein Kilo drauf hat. Ich musste in der NFL auf jede Kalorie achten, damit ich nicht zunehme und das trotz intensivem Training. Alle haben mich immer gefragt: Gib mal einen Trainingsplan, gib mal einen Ernährungsplan. Hey, alles ist an die Person angepasst und jeder muss seinen Rhythmus finden. Aber Respekt an Sebastian Vollmer für seine Transformation. Da war er auf jeden Fall eisern, weil es ja trotzdem nicht über Nacht geht. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, für diese Transformation liebe ich essen zu sehr.
Zurück zum Training. Was drückst du aktuell so?
Aaach, nicht mehr viel. Ich mache nur noch 10er-Wiederholungen und meine Sätze so mit 100 Kilo.
Und zu deiner NFL-Zeit?
Oah, da habe ich Sätze mit 120, 130 Kilo gemacht. Da war mein Körpergewicht auch 117 Kilo, aber viel besser verteilt.
Du bist ja alles andere als auf den Mund gefallen: Thema Doping und NFL. Wie läuft das in der NFL und glaubst du, dass so Typen wie D.K. Metcalf und Aaron Donald natural sind?
Ja! Die sind natural. Es gibt vielleicht andere Kulturen, in denen das System anders ist und manche kriegen das einfach in die Wiege gelegt. Manche sagen „Danke Mama und Papa“ und manche sagen „Hey Mama und Papa, wieso habt ihr mir das gegeben?“ Das kann man halt nicht kontrollieren. Ich denke nicht, dass Aaron Donald und D.K. Metcalf etwas nehmen. Das ist einfach sehr viel DNA und gleichzeitig Fleiß. Es gibt Spieler, die etwas nehmen, aber die beiden sahen schon immer so aus. Guck dir mal Fotos von D.K. Metcalf oder Myles Garrett in der Highschool an. Das ist ja nicht mehr fair, wie die in der Highschool aussahen. Und komm hey, die hatten kein Geld für irgendwelche Steroide, Doping und so was.
Du bist der einzige deutsche Erstrunden-Pick in der Geschichte, hast den erfolgreichsten Sport-Podcast Deutschlands, bist Co-Producer einer erfolgreichen Amazon-Doku und jetzt auch noch Buchautor. Was kommt als Nächstes?
Ich weiß es noch nicht (lacht)! Das Buch ist jetzt erst mal das nächste Projekt hier. Wir haben noch viele Ideen generell mit der ganzen Marke „Football Bromance“. Wir wollen bisschen mehr in diesen ganzen Unternehmer-Bereich reingehen, damit es eine große Marke wird. Es gibt viele Ideen, die wir jetzt gerade nur aufschreiben und die ersten hoffentlich in der Off Season umsetzen werden. Wir investieren unsere Zeit in ein Team, um noch mehr Content drum herum und Football-Deutschland in den Medien aufzubauen.
Meine abschließende Frage: Wie hättest du dich gegen Tim Wiese bei „Schlag den Star“ geschlagen?
Ich hätte ihn weggeballert. Weißt du doch (lacht)!
In der Autobiografie „My American Football Dream“ gibt dir Björn Werner einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen des Profi-Football und erzählt von seinem ganz persönlichen deutsch-amerikanischen Traum. Es ist die faszinierende Lebensgeschichte eines einfachen Jungen aus dem Wedding, der eine kometenhafte Karriere bis in die nordamerikanische NFL durchlief und ein packender Insiderblick in den aktuell angesagtesten US-Sport.