Süßstoff statt Zucker im Kaffee. Keine schlechte Idee, oder doch? Ernährungswissenschatler auf der ganzen Welt stehen Süßstoff skeptisch gegenüber
14. Oktober 2022
von PIERRE SCHOBER

Wirklich gesünder als Zucker?

Studie warnt vor Süßstoff-Konsum

Wenn du dich gesund ernähren willst, ist die Reduzierung deines Zuckerkonsums ein Schritt in die richtige Richtung. Die meisten Leute greifen stattdessen auf Süßstoff zurück. Doch ist dies wirklich gesünder? Eine Studie aus Israel lässt daran Zweifel aufkommen.

Saccharin, Stevia, Xylit – Süßstoffe gibt es zuhauf. Sie sind für gewöhnlich eine gute Hilfe, um weniger Zucker zu konsumieren und sich trotzdem die ein oder andere süße Sünde zu gönnen, ohne die Diät direkt in die Tonne zu kloppen.

Im Kampf gegen Übergewicht oder Diabetes erscheint Süßstoff also als wichtiges Tool, um den süßen Zahn zu befriedigen. Das Image der Süßstoffe ist in jedem Fall um ein x-faches besser als das des Zuckers. Zu Recht?

Im Supermarkt gibt es kaum verarbeitete Lebensmittel ohne Zucker oder Süßstoff

Eine Studie des israelischen Weitzmann-Instituts lässt aber neue Zweifel daran aufgekommen, ob dies gute Image berechtigt ist. Die Wissenschaftler haben Belege gesammelt, dass sich Süßstoff-Konsum auf Darmflora und Stoffwechsel auswirkt – allerdings nicht zum Besseren.

Die Suche nach Lebensmitteln, die keinen Süßstoff beinhalten, gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. In nahezu allen verarbeiteten Lebensmitteln sind sie zu finden. Dementsprechend hatten die Forscher auch Probleme, ihre 120 Probanden für ihre Studie zu finden. Diese mussten sich sowohl aktuell als auch in der Vergangenheit süßstofffrei ernähren.

Das wirft doch direkt die Frage auf, warum so viel Süßstoff verwendet wird. Die Antwort ist beinahe schon absurd und grenzt an bösartige Unterstellung. Der Kostenunterschied zwischen Zucker und Süßstoffen ist marginal. Aber Zucker wird vom Gehirn als Energiequelle identifiziert, Süßstoff nicht.

Süßstoff vermittelt kein Sättigungsgefühl

Das heißt, dass wir, wenn wir Zucker zu uns nehmen, irgendwann den Impuls bekommen, dass wir satt sind bzw. der Energiebedarf gestillt ist. Zumindest in der Theorie. Dies passiert aber nicht bei Süßstoff. Die Folge: Das Sättigungsgefühl tritt nun bedeutend später ein, was wiederum bedeutet, dass wir mehr essen und dementsprechend mehr verbrauchen. Das wiederum ist gut für die Geldbeutel der Lebensmittelindustrie.

Süßstoffe verändern unsere Essgewohnheiten und zwar für gewöhnlich zum Nachteil! Daher ist ein Diäterfolg nicht automatisch garantiert, wenn wir zu irgendeinem Süßstoff greifen – eher im Gegenteil.

Benutzt du regelmäßig Süßstoff?
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  • Nein, ich benutze Honig, Ahornsirup & Co. 4%, 3 votes
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Abstimmungen insgesamt: 82
Oktober 14, 2022 - Dezember 31, 2023
Umfrage beendet

Die gebräuchlichsten Süßstoffe

Gucken wir uns doch zunächst einmal die gängigsten Zucker-Ersatzstoffe an:
– Saccharin: Das gibt es schon seit 1878 und es gilt somit als ältester Süßstoff auf dem Markt. Sein Vorteil: Da Saccharin auch bei Hitze nichts von seiner Süßkraft einbüßt, eignet es sich hervorragend zum Kochen oder Backen. Aber: Dosiert man es zu hoch, kehrt es sich um und schmeckt leicht bitter.

– Sucralose: Hier ist das Problem, dass dieser Stoff lediglich einen süßen Nachgeschmack hat, obwohl er etwa 600-mal so süßer als Zucker ist. Er wird vom Körper nicht verstoffwechselt und unverändert wieder ausgeschieden.

– Acesulfam: Es wurde um 1967 eher zufällig entdeckt und wird häufig in Kombination mit anderen Süßstoffen verwendet. Man findet Acesulfam sogar in Zahnpasten, da es keine Karies auslöst. Problem: Auch Acesulfam wird unverändert ausgeschieden und auch von Kläranlagen nicht komplett abgebaut. So gerät es wieder in den Wasserkreislauf. Acesulfam wurde sogar schon regional im Trinkwasser nachgewiesen.

– Cyclamat: Zur Einstufung, ob es sich hierbei um ein gesundes Produkt handelt: In den USA, dem Heimatland der Fettleibigkeit (und der Fitness), ist es als potenziell krebserregend eingestuft und dementsprechend verboten. Guten Appetit. In Deutschland wird es oft mit Saccharin kombiniert.

– Stevia: Hier handelt es sich um einen natürlichen Süßstoff, der aus einem Honigstrauch gewonnen wird. Den in hohen Dosierungen bitteren Beigeschmack versucht man durch entsprechende Züchtungen (!) in den Griff zu bekommen. In Deutschland darf Stevia nicht in Bio-Lebensmitteln vorkommen.

– Aspartam: Hierbei handelt es sich um einen Süßstoff, der dem ursprünglichen Zuckergeschmack sehr nahekommt. Allerdings verliert er jedoch bei Erhitzung viel seiner Süßkraft. Es ist zudem sehr umstritten. Trivial gesagt: Nach dem Verzehr fühlt sich dein Gehirn verschaukelt, weil es Aspartam schnell als Glucose-Imitat identifiziert und folglich endlich den „richtigen Stoff“ einfordert. Das heißt: Du isst mehr, als du eigentlich benötigst.

– Sorbit, Mannit, Xylit: Hier sprechen wir von sogenannten Zuckeraustauschstoffen. Diese haben auch – im Gegensatz zu Süßstoff – sehr wohl Kalorien. Besonders Xylit werden viele Vorteile gegenüber Zucker nachgesagt. Es wird etwa nahezu ohne Insulin abgebaut.

Und das sind nur die gebräuchlichsten Süßstoffe. Es gibt noch viel mehr, die von der Industrie genutzt werden. Die ist da ähnlich kreativ, wie bei der Verschleierung des Zuckers, den sie verarbeitet. Das Problem dabei ist, dass dies alles legal ist. Wer sich nicht aufklärt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Waage ächzt, wenn wir uns mal darauf verirren.

In der Studie: Schlechtere Ergebnisse bei Glukosetoleranztests

In der Studie aus Israel hatte man die 120 Probanden zunächst einmal in sechs Gruppen eingeteilt. Vier davon wurden mit einem jeweils unterschiedlichen Süßstoff „gefüttert“, eine Gruppe erhielt Zucker und die letzte Gruppe ein Placebo.

Das Ergebnis: Shocking! Die Saccharin- und die Sucralose-Gruppe hatte bei den so bezeichneten Glukosetoleranztests bedeutend schlechtere Ergebnisse. Bei einem Glukosetoleranztest werden einem Probanden 50 Gramm in Wasser aufgelöste Glukose verabreicht. Schnellt nun der Blutzuckerspiegel in die Höhe, ist dies ein Indiz dafür, dass über kurz oder lang für die Person eine Anfälligkeit für Übergewicht oder Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Diabetes) vorhanden oder entstanden sein wird.

Man könnte also zur Schlussforderung kommen, dass sich der Konsum dieser beiden Süßstoffe negativ auf den Stoffwechsel auswirkt. Zumindest kamen die Forscher zu der Annahme, dass Süßstoff-Konsum sich negativ auf das Mikrobiom im Darm auswirkt. Saccharin und Sucralose sind dabei besonders gefährlich, da sie länger im Körper verweilen als andere Süßstoffe.

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Schon ältere Studien warnten vor Süßstoffen

Neu sind diese Ergebnisse jedoch nicht, nur eine weitere Bestätigung für die allgemeine Studienlage. Auch deutsche Forscher haben schon vor geraumer Zeit darauf hingewiesen, dass künstliche Süßstoffe im Kampf gegen Übergewicht ungeeignet sind – selbst, wenn sie keine Kalorien haben. Eine beliebte Kombination in der Lebensmittelindustrie ist Sucralose und Maltodextrin. Die Krux: Die Insulinausschüttung wird angeregt und so die Fettverbrennung blockiert.

Und natürlich werden auch wieder Frauen beim Konsum von Sucralose besonders benachteiligt. Denn der Stoff sorgt bei Frauen für mehr Appetit. Das behaupten jedenfalls Wissenschaftler der University of Southern California. Doch deren Experiment (hier geht es zu der Studie) ist zumindest auf dem ersten Blick mit Skepsis zu betrachten.

Hier lohnt der Blick zurück in der Evolution. Frauen sind sensibler als Männer. Das wird keine Frau bestreiten. Dies betrifft auch die Nahrungsaufnahme. Besonders im Alter in dem wir uns für gewöhnlich fortpflanzen. Süß bedeutet keine Gefahr – für einen selbst, aber auch für ein Kind, das die Frau unter Umständen austrägt. Sucralose ist aber nun 600-mal so süß wie Zucker, also extrem ungefährlich? Jedenfalls signalisiert uns dies das Gehirn. Die Folge: Zuschlagen, bis die Schwarte kracht, was wiederum natürlich kontraproduktiv beim Kampf ums Wohlfühlgewicht ist.

Erhöht Süßstoff wirklich das Krebsrisiko?

Ein weiterer Diskussionspunkt des Süßstoffes ist das angebliche Krebsrisiko. Hier ist die Studienlage ausbaufähig – vorsichtig formuliert. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stuft Süßstoffe als vergleichsweise gering ein.
Beispiel Aspartam: Hier müsste ein 80 Kilogramm schwerer Mensch 3200 Milligramm täglich konsumieren, um sich in Gefahr zu begeben. Um das bildlich darzustellen: Diese Person müsste dafür rund 5,5 Liter mit Aspartam gesüßte Limonade trinken.

Eine französische Studie widerspricht dem ganzen aber und sagt, dass bereits geringere Mengen bedenklich wären. Laut der Studienergebnisse haben Konsumenten von Süßstoff einen höheres Krebsrisiko (13 Prozent) und zwar schon bei einem Konsum, der unter den als ungefährlich eingestuften Mengen liegt. Vor allem die Gefahr von Brustkrebs war enorm hoch. Doch damit nicht genug! Auch ein höheres Aufkommen von Schlaganfällen und Herzinfarkten wurde festgestellt.

Allerdings verweisen die Forscher darauf, dass die Ergebnisse nicht so eindeutig sind, wie etwa beim Thema Rauchen. In der Studie fiel auf, dass starke Süßstoff-Konsumenten insgesamt einen schlechten Lebensstil pflegten. Dieser zeigte sich in der Ernährung, aber auch im Sportverhalten und Konsum von Tabakwaren. Wie groß ist also der Einfluss von Süßstoffen? Die Vermutung liegt nahe, dass er vergleichsweise gering ist.

Bist du ein Süßer? Hinterfrage deinen „Süß“-Konsum

Dennoch: Sein eigenes Verhalten beim Süßen von Speisen zu hinterfragen, ist definitiv nicht verkehrt. Speziell wenn die Waage nicht unbedingt zum engeren Freundeskreis zu zählen ist. Die französischen Wissenschaftler empfehlen daher, generell den Zucker- bzw. Süßstoffkonsum einzuschränken. Besonders wenn es um Getränke geht.

In diese Kerbe schlägt auch LOOX-Experte Dr. Mark Warnecke (52). Warnecke: „Für mich als Ernährungsmediziner sind sie das größte Problem, das wir haben. Wenn ich daran denke, was die Politik alles verbieten möchte, aber hier wegguckt, puh …“ Trinkt man quasi nichts anderes, ist das für den Experten eine „Riesenkatastrophe“.

Experten raten aber dazu, sich das Süße nicht zu verbieten – im Gegenteil. Es sollte als etwas Besonderes wahrgenommen werden, als eine Belohnung für außergewöhnliche Angelegenheiten.

– Muss ich mir im Restaurant immer ein Dessert bestellen?
– Brauche ich nach jeder Mahlzeit einen Nachtisch?
– Wenn ja, reicht mir da nicht auch ein Schälchen Obstsalat?

Fazit

Wie schon oft an dieser Stelle geschrieben, macht die Dosis das Gift. Zucker ist nicht besser als Süßstoff, Süßstoff aber anscheinend auch nicht das Allheilmittel und schon gar nicht die Zauberformel im Kampf gegen Übergewicht.

Was dir helfen wird, ist eine Rücksprache mit deinem Hausarzt. Ein Check-up wird dir sagen, ob und wie diabetesgefährdet du bist. Fakt ist aber, dass ein überhöhter Zuckerkonsum sich über kurz oder lang negativ auf deine Gesundheit auswirken wird – ähnlich wie zu hoher Süßstoffverzehr.

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