Von wegen „Salat schrumpft den Bizeps“ – bestimmtes Blattgemüse kann für einen stärkeren Unterkörper und mehr Maximalkraft sorgen
10. Juni 2022
von Franziska Schindler

Vorsicht vor Roter Bete und Spinat

Mehr Muskeln mit Nitrat

Spinat und rote Bete haben das Potenzial, deine Muskeln wachsen zu lassen. Das liegt an ihrem hohen Nitratgehalt. LOOX klärt auf, was dahintersteckt und wieso du beim Konsum von nitratreichen Lebensmitteln unbedingt auf die Menge achten solltest.

  • Nitratreiches Gemüse (Rote Bete, Spinat, Rucola etc.) fördert unter anderem die Durchblutung und kann Studien zufolge deine Muskelfunktion verbessern.
  • Bis dato hielt die Wissenschaft mehr Maximalkraft, einen stärkeren Unterkörper, eine höhere Kontraktionskraft sowie einen geringeren Sauerstoffverbrauch nach dem Nitrat-Konsum fest.
  • Nichtsdestotrotz solltest du nicht regelmäßig enorme Mengen davon essen, weil das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf die mögliche krebserregende Wirkung hinweist und eine maximale Aufnahmemenge festgelegt hat.

Wirkung von Nitrat auf Muskeln

In aller Kürze: Nitrat erhöht den Sauerstofffluss in die Muskeln, verbessert die Versorgung mit Nährstoffen und fördert die Durchblutung deiner Organe und Muskulatur. Aus diesem Grund ist vor allem Rote Bete dafür bekannt, einen starken Pump hervorzurufen – im Gym und im Schlafzimmer. Daneben zeichnet sich vor allem grünes Blattgemüse durch einen hohen Nitratgehalt aus. Der absolute Spitzenreiter ist Rucola. Hier die relevantesten Naturtalente:

Lebensmittel / mit hohem Nitratgehalt

LebensmittelNitratgehalt in mg/1 kg
Radieschen1.240
Rote Bete1.254
Fenchel1.261
Eichblattsalat1.277
Kohlrabi1.301
Endivie1.321
Spinat, frisch1.393
Mangold1.527
Lollo Rosso/Bianco1.672
Feldsalat1.913
Kopfsalat1.966
Petersilie2.233
Rucola4.594

Achtung: Der Nitratgehalt in Gemüse unterliegt jedoch starken Schwankungen, welche zum Beispiel auf unterschiedliche Düngemaßnahmen oder den Erntezeitpunkt zurückzuführen sind.

 

Was passiert nun beim Konsum dieser Gemüsesorten im Körper? Etwa 25 Prozent des gesamten Nitrats reichern sich im Speichel an. Dort wandeln es Bakterien am Zungenrand in Nitrit um. Jenes passiert den Magen-Darm-Trakt und geht ins Blut über, wo es die Bildung von Stickstoffmonoxid anregt. Dieses weitet die Gefäße und vermindert die Verklumpung der Blutplättchen. Mittlerweile untermauern auch einige Studien die positive Wirkung von Nitrat auf die Funktion deiner Muskeln.

Studien belegen Leistungssteigerung

Mehr Maximalkraft

Im Oktober 2021 wurde eine Metaanalyse im Journal Of the International Society of Sports Nutrition publiziert, welche sich der Wirkung von diätetischem Nitrat auf die Muskelkraft annahm. Dafür wurden 19 Studien mit insgesamt 268 Teilnehmerinnen und Teilnehmern herangezogen. Die Nitrat-Dosen reichten dabei von circa 397 bis 986 Milligramm und wurden dem Großteil in Form von konzentriertem Rote-Bete-Saft verabreicht. Es wurden also ungefähr zwischen 140 bis 350 Milliliter davon getrunken. Bei dieser Vorstellung läuft es dir kalt den Rücken herunter? Dann warte mal das Ergebnis ab:

„Die akute oder chronische Aufnahme von NO3 mit der Nahrung erhöht die maximale Muskelkraft beim Menschen signifikant. Das Ausmaß dieses Effekts – im Durchschnitt ~ 5 % – ist wahrscheinlich von erheblicher praktischer und klinischer Bedeutung.“ Was erst mal nach wenig klingt, wurde in der Studie noch genauer ausgeführt. Den Forschenden zufolge würde eine Leistungssteigerung von nur einem Prozent die Siegchancen bei einem Wettkampf verdoppeln, weshalb fünf Prozent enorm seien. Es wurde geschlussfolgert, dass Nitrat „ein beträchtliches Potenzial als Mittel zur Steigerung der Muskelkraft birgt“.

Stärkerer Unterkörper

Anfang vergangenen Jahres hat eine Studie an der Edith Cowan University in Australien ergeben, dass eine hohe Nitratzufuhr – hauptsächlich aus Gemüse – ein wirksames Mittel sei, um die Muskelkraft in den unteren Gliedmaßen (Becken, Oberschenkel, Unterschenkel, Knie und Füße) zu fördern. Diese war bei den Teilnehmenden mit dem höchsten Nitratkonsum um elf Prozent größer als bei solchen Personen, die am wenigsten Nitrat zu sich nahmen. Um die Muskelfunktion zu verbessern, reiche laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits ein Cup grünes Blattgemüse pro Tag aus. Das entspricht ungefähr 30 Gramm täglich.

Für die Studie wurden die Daten von insgesamt 3.759 Australierinnen und Australiern über eine Zeitspanne von zwölf Jahren ausgewertet. Der Studienleiter Dr. Marc Sim vom Institut für Ernährungsforschung wies dennoch darauf hin, dass eine optimale Muskelfunktion nicht nur von einer ausgewogenen Ernährung, sondern auch von regelmäßiger Bewegung und im Idealfall Krafttraining abhänge.

Höhere Kontraktionskraft

Die positive Wirkung von Nitrat auf die Muskeln wurde ebenfalls durch eine Studie mit Mäusen belegt. Ob sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist fraglich – dennoch möchten wir einen Blick darauf werfen.

Die Versuchstiere am Stockholmer Karolinska-Institut bekamen eine Woche lang mit Nitrat angereichertes Trinkwasser. Laut des Studienleiters Andrés Hernández entsprach das täglich verabreichte Nitrat jener Menge, die man mit 200 bis 250 Gramm Spinat zu sich nimmt. Im Anschluss konnten die Forschenden feststellen, dass die Mäuse-Muskeln über eine höhere Kontraktionskraft verfügen.

Das Ergebnis war auf eine deutliche Veränderung der Typ-2-Muskelfasern zurückzuführen. Diese sogenannten schnell zuckenden („fast twitch“) Muskelfasern zeichnen sich durch eine hohe Kontraktionsgeschwindigkeit und ein dickes Volumen aus. Sie sind außerdem für Belastungen von unter 60 Sekunden zuständig, wie dem Gewichtheben. Auf die langsam zuckenden („slow twitch“) Muskelfasern habe Nitrat allerdings keinerlei Wirkung gezeigt. Der sogenannte Typ 1 ist der Marathonläufer unter den Muskelfasern. Er ist überaus ermüdungsresistent und regenerationsfähig, besitzt aber weniger Kraft und ein geringeres Wachstumspotenzial als Typ 2.

Geringerer Sauerstoffverbrauch

Am Karolinska-Institut in Stockholm wurde auch eine klein angelegte Studie an 14 Menschen durchgeführt. Die Forschungsgruppe rund um Filip Larsen verabreichte den Probandinnen und Probanden ebenfalls eine nitrathaltige Trinklösung, welche ungefähr dem Nitratgehalt von drei durchschnittlich großen Rote-Bete-Knollen (circa 105 Gramm) entsprach. Nach dem Konsum mussten die Teilnehmenden auf das Fahrradergometer. Dort wurde ihr Sauerstoffverbrauch kontrolliert.

Die Studie ergab, dass die Testpersonen, welche die Nitratlösung getrunken hatten, weniger Sauerstoff benötigten, um die gleiche sportliche Leistung wie jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu erzielen, die zuvor kein Nitrat aufgenommen hatten. Das Forschungsteam entnahm zusätzlich Gewebeproben aus der Oberschenkelmuskulatur. Dadurch konnte gezeigt werden, dass der festgestellte Effekt vermutlich auf einer Effizienzsteigerung der in den Muskeln ansässigen Mitochondrien beruht – die „Kraftwerke der Zellen“. Die zugeführte Lösung hat dafür gesorgt, dass sie mehr Energie pro Sauerstoffangebot liefern konnten.

Nachdem wir dich über die positiven Effekte von Nitrat auf deine Muskeln aufgeklärt haben, möchten wir uns nun die andere Seite der Medaille ansehen. Denn während die einen nitratreiche Lebensmittel propagieren, warnen die anderen davor.

Ist Nitrat schädlich?

Nitrate per se sind erst einmal relativ unbedenklich. Erst durch die Umwandlung in Nitrit werden sie zu einem gesundheitlich problematischen Stoff. Jene kann durch unsachgemäßem Transport, die Einwirkung von Bakterien bei der Verdauung oder bereits im Lebensmittel selbst vonstattengehen. Eine schlechte Lebensmittelhygiene (falsche Aufbewahrung und Zubereitung) kann auch dafür sorgen. Dies lässt sich auf Bakterien in oder auf pflanzlichen Lebensmitteln mit hohem Nitratgehalt zurückführen. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) soll zubereiteter Spinat daher nicht wieder aufgewärmt werden, weil darin vorhandene Mikroorganismen zu vermehrter Nitrit-Bildung beitragen.

Stiftung Warentest empfiehlt ebenfalls hilfreiche Maßnahmen, um den Nitratgehalt von Lebensmitteln zu reduzieren. So wird dazu geraten, etwaige Stängel und Mittelrippen zu entfernen und nitratreiches Gemüse lange zu kochen oder zu blanchieren. Übriggebliebenes Essen, welches über einen hohen Nitratgehalt verfügt, solle man sofort in den Kühlschrank stellen. Langes Abkühlen verstärke die Nitrit-Bildung. Durch die Kühlschrank-Lagerung verlangsame man auch die Umwandlung von Nitrat in Nitrit in frischem Gemüse. Abgesehen davon, solle man lieber zu Freiluft-Saison-Gemüse greifen, denn Winter-Treibhaus-Gemüse sei stärker belastet. Wozu das Ganze?

Das richtet Nitrit im Körper an

Gelangt Nitrit ins Blut, verändert es das Hämoglobin – den roten Blutfarbstoff. Dieser trägt eigentlich dafür Sorge, Sauerstoff von der Lunge durch das Blut ins Gewebe zu transportieren. Unter der Einwirkung von Nitrit wird diese Funktion behindert. Das heißt, das Gewebe bekommt sozusagen keine Luft mehr. Das äußert sich in blau angelaufener Haut und Schleimhäuten („Blausucht“ = Zyanose). Im schlimmsten Fall endet dies mit einer inneren Erstickung. Doch: Im Laufe des Lebens entwickelt der Mensch ein Enzym, welches die Umwandlung von Hämoglobin durch Nitrit wieder rückgängig machen kann. Der beschriebene Effekt droht daher in der Regel Kleinkindern im Alter von unter einem Jahr und nicht Erwachsenen.

Darüber hinaus kann Nitrit im Körper mit Aminen zu N-Nitroso-Verbindungen (zum Beispiel Nitrosaminen) reagieren. Der Großteil jener Verbindungen hat sich in Tierversuchen als krebserregend erwiesen. Ob das auch für den Menschen gilt, ist laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) noch nicht ausreichend geklärt. Dennoch reicht der bisherige Forschungsstand dafür aus, dass das BfR eine langfristige Aufnahme von größeren Mengen Nitrat beziehungsweise Nitrit als problematisch betrachtet. Es wird dazu geraten, die Zufuhr so weit wie möglich zu reduzieren. Etwas milder formuliert es die European Food Safety Authority (EFSA): „Epidemiologische Studien lassen nicht darauf schließen, dass die Nitrataufnahme über die Nahrung oder das Trinkwasser mit einem erhöhtem Krebsrisiko verbunden ist. Die Hinweise […] sind nicht eindeutig.“ Wie viel Nitrat ist also wirklich schädlich?

Empfehlung für maximale Aufnahmemenge

Dem BfR zufolge hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine duldbare tägliche Aufnahmemenge (ADI) von 3,7 Milligramm Nitrat pro Kilogramm Körpergewicht für Erwachsene festgelegt. Auch die EFSA geht mit diesem Wert konform. Eine beispielsweise 60 Kilogramm schwere Person dürfte demnach 222 Milligramm Nitrat am Tag essen.
Damit es für dich anschaulicher wird, haben wir diese Menge auf relevante Gemüsesorten umgelegt. Behalte dabei aber im Hinterkopf, dass die Angaben großen Schwankungen unterliegen können und lediglich als grobe Richtwerte für eine 60 Kilogramm schwere Person dienen.

Nitratreiche Lebensmittel / Täglich duldbare Verzehrmenge

LebensmittelVerzehrmenge in g/Tag
Radieschen179
Rote Bete177
Fenchel176
Eichblattsalat174
Kohlrabi171
Endivie168
Spinat, frisch159
Mangold145
Lollo Rosso/Bianco133
Feldsalat116
Kopfsalat113
Petersilie99
Rucola48

Aber was passiert nun, wenn du mehr zu dir nimmst als empfohlen? Wenn du die Grenzwerte ab und an überschreitest, weil du bespielweise eine extra große Portion Rote Bete vor dem Training isst („Pump geht vor“), dann brauchst du nicht gleich gesundheitliche Auswirkungen zu befürchten. Problematisch scheint es erst zu werden, wenn du konstant erhöhte Nitratwerte über das Essen und Trinkwasser aufnimmst. Wieso denn jetzt Trinkwasser?

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So kommt Nitrat in deine Nahrung

Bei Nitrat handelt es sich um eine Stickstoffverbindung. Diese kommt natürlicherweise im Boden vor, wird beim Düngen aber auch auf den Feldern ausgebracht. Pflanzen nehmen Nitrat über ihre Wurzeln auf und wandeln es durch Photosynthese in energiereiche Eiweißverbindungen um. Überschüssige Mengen an Nitrat werden von ihnen gespeichert. Die Höhe dieser Kapazitäten unterscheidet sich von Nahrungspflanze zu Nahrungspflanze.

Nitrat kann aber auch durch die Auswaschung mit dem Regen ins Grund- und somit in unser Trinkwasser gelangen. Ebenfalls denkbar ist die Aufnahme von Nitrat in Form von gepökelten Fleischwaren, denn Nitrat ist ein Bestandteil von Pökelsalz. Der Großteil der täglichen Nitratzufuhr stammt jedoch aus dem Verzehr von Gemüse (circa 70 Prozent). Danach folgen erst Trinkwasser (circa 20 Prozent), Fleischwaren (circa fünf Prozent) und Sonstiges (circa fünf Prozent).

Fazit: Nitrat kommt natürlicherweise im Boden vor und gelangt über die Wurzeln in die Pflanzen. Besonders nitratreich ist grünes Blattgemüse wie zum Beispiel Spinat und allen voran Rucola. Im Körper fördert Nitrat unter anderem die Durchblutung und auch die Wirkung von Nitrat auf Muskeln ist durchaus positiv. Studien belegen mehr Maximalkraft, einen stärkeren Unterkörper, eine höhere Kontraktionskraft sowie einen geringeren Sauerstoffverbrauch. Doch leider wird Nitrat beziehungsweise Nitrit nachgesagt, schädlich zu sein. Es soll womöglich das Krebsrisiko erhöhen. Aus diesem Grund wird empfohlen, nicht mehr als 3,7 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht zu verzehren. Sofern du diesen Grenzwert nicht regelmäßig überschreitest, droht kein Risiko für deine Gesundheit. So schlussfolgern sowohl BfR als auch EFSA trotz aller Warnungen, dass die anerkannten Vorteile des Gemüse-Konsums mögliche Risiken durch leicht erhöhte Nitrat- und Nitritgehalte überwiegen. Deinem Nitrat-Pump steht also kaum noch etwas im Wege!