Preis, Öko-Bilanz, Nährstoffe
Das Problem der Milchalternativen
Die Diskussion um die Milch. Gefühlt wird um das Für und Wider heftiger gestritten als beim Fleisch. Denn auch bei der Milch wird der Markt mit „Ersatzprodukten“ geradezu überschwemmt. Doch nicht jede Alternative ist auch wirklich eine. LOOX sagt dir warum.
♦ Milch verliert bei der Produktion keine Mineralstoffe
♦ Hafermilch kann eine Reihe von Zusatzstoffen enthalten und zu Blutzuckerspitzen führen
♦ Körperliche Beschwerden nach dem Milchkonsum? Nicht immer ist Laktoseintoleranz der Grund
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland konsumiert Milch. Obwohl es inzwischen zahlreiche Varianten gibt. Diese bestehen aus Soja, Hafer, Mandeln oder Reis, aber auch aus Erbsen oder Kokos. Eine Unterteilung in „Milch = schlecht“ und „Milchalternative = gut“ ist nicht nur viel zu einfach, sondern auch falsch.
Von der Kuh in den Tetrapack
Um das „System Milch“ zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Herstellung der klassischen Supermarkt-Milch. Als erstes muss man sich vor Augen führen, dass jeder Liter, der im Supermarkt erhältlich ist, bearbeitet wurde.
Nicht nur, weil der „pure“ Milchgeschmack für die meisten Menschen sehr gewöhnungsbedürftig wäre. Bei Verkostungen kommt immer wieder heraus, dass wir heute nur noch den Geschmack aus dem Tetra-Pak kennen und daher oftmals auch als besser empfinden. Direkt vom Euter schmeckt die Milch viel fettiger und rahmiger. Auf konventionellen Höfen „produziert“ eine Kuh übrigens im Schnitt 30 Liter am Tag.
Um den Verbraucher vor Keimen zu schützen, wird die Milch in der Molkerei bearbeitet. Nachdem die Milch vom Hof zu den Molkereien gebracht wurde, wird die Milch „gereinigt“ und in Magermilch und Rahm getrennt. Diese werden dann später wieder zusammengefügt. Fun-Fact: So entstehen am Ende auch die unterschiedlichen Fettgehalte. Anschließend erfolgt die Erhitzung, bei einer H-Milch sogar auf 150 Grad.
Dabei gehen aber, im Gegensatz zur gängigen Meinung, keine Mineralstoffe verloren. Lediglich zehn Prozent der Vitamine werden „geopfert“, bei der H-Milch allerdings sogar 30 Prozent. Dafür ist die Milch dann mehrere Wochen haltbar.
Öko-Desaster bei der Herstellung von Milchalternativen
Die Gründe, auf Milch zu verzichten, sind vielfältig. Viele Konsumenten verzichten aus ökologischen Gründen auf Kuhmilch. Wer aber nun glaubt, dass 248 Liter Wasser, die für die Erzeugung eines Liters Kuhmilch nötig sind, viel sind, der sollte einmal nachlesen, was für die Herstellung von einem Liter „Reismilch“ benötigt wird: 600 Liter, also mehr als das Doppelte.
Die Berechnungen bei der Mandelmilch reichen von 370 bis 800 (!) Liter Wasser. Der Großteil der Mandeln wächst dabei in Gegenden, wo Wasser eine kostbare Ressource ist. Man darf aber natürlich nicht unerwähnt lassen, dass Hafermilch (3,4 Liter) und Sojamilch (1,2 Liter) bedeutend besser abschneiden.
Ist Hafermilch gesund?
Stiftung Warentest und Ökotest konnten in den letzten Jahren in nahezu keiner Hafermilch Schadstoffe nachweisen und bewerteten die getesteten Produkte grundsätzlich positiv. Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste. Denn Hafermilch ist nicht gleich Hafermilch. Einige Pflanzendrinks enthalten unschöne Zusatzstoffe wie zum Beispiel Konservierungs-, Verdickungs- und Süßungsmittel, sowie Speisesalz, Würzmittel und Aromen. Außerdem ist Vorsicht geboten, wenn du unter einer Gluten-Unverträglichkeit leidest – Hafermilch kann Spuren davon enthalten.
Ein weiterer Wehrmutstropfen: Der Pflanzendrink kann – im Vergleich zu üblicher Kuhmilch – Blutzuckerspitzen verursachen, so die Biochemikerin Jessie Inchaupé gegenüber WELT. Grund dafür sei der Hafer selbst – ein Getreide. Der Ernährungsexpertin zufolge wirke sich das Auf und Ab zwischen Blutzuckeranstieg- und -abfall negativ auf deine Gesundheit aus. Dies könne sich in Akne, Heißhungerattacken und Diabetes äußern. Und auch auf die Umwelt haben Milchalternativen einen Einfluss.
Keine Eulen nach Athen, aber Bienen nach Málaga
Zurück zur Reismilch: Beim Anbau von Reis entsteht klimaschädliches Methan, wenn auch bedeutend weniger als bei den pupsenden Kühen. Dass die Herstellung von Milchalternativen oftmals ökologisch grenzwertig ist, verdeutlicht auch das nächste Beispiel. Zusätzlich mussten teilweise Bienen in die entsprechenden Gegenden, zum Beispiel ins spanische Málaga, transportiert werden, um die Bestäubung der Blüten sicherzustellen.
Doch die Natur schlägt bereits zurück. Es ist noch nicht lange her, da explodierten aufgrund einer Dürre in Kalifornien die Preise für Mandeln, und die trockenen Sommer in Europa sorgten für Erbsenknappheit.
Unverträglichkeiten haben nur die wenigsten
Ein weiteres Argument für den Milchverzicht ist die Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit. 15 Prozent aller Deutschen glauben (!), dass sie an einer Laktoseintoleranz leiden. Dabei belegen Studien, dass viele Menschen, die das glauben, tatsächlich andere Probleme haben.
Wahrscheinlicher ist eine Fruktoseintoleranz. Manchmal werden die Probleme auch durch eine sehr ballaststoffreiche Ernährung verursacht, was aber für gewöhnlich eher gesund, als bedenklich ist. In seltenen Fällen sind gravierende Darmerkrankungen die Ursache. Wer gern Milch trinkt oder Milchprodukte konsumiert und darauf nicht verzichten möchte, sollte sich also beim Arzt testen lassen.
Zudem können auch laktoseintolerante Menschen bis zu zwölf Gramm Laktose auf einmal vertragen. Die meisten Käsesorten, zum Beispiel Parmesan oder Gouda, enthalten durch den Herstellungsprozess kaum Milchzucker. Es gilt: Je härter der Käse, desto geringer ist der Laktoseanteil. Auch Joghurt ist mit drei bis vier Gramm Laktose auf 100 Gramm grundsätzlich unproblematisch.
Milchersatzprodukte sind nicht die bessere Milch
Dennoch: Milchalternativen boomen. Jeder zehnte konsumierte Liter Milch in Deutschland ist inzwischen pflanzlichen Ursprungs. Die Behauptung jedoch, dass Milch ungesund ist, ist haltlos. Einen wissenschaftlichen Beleg gibt es dafür nicht. Cholesterin (5mg/100g) und gesättigten Fettsäuren (0,6g/100g) zum Trotz. Auch Ernährungswissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass die entsprechenden Milchalternativen im Prinzip keine sind.
Als Kalzium- und Proteinlieferant ist die „gute alte“ Milch nicht zu toppen. Vegane Kraft- und Fitnesssportler sollten auf Milchvarianten aus Hülsenfrüchten (zum Beispiel Soja, Erbsen) zurückgreifen, um ähnlich leicht auf die benötigte Eiweißmenge zu kommen oder nachsupplementieren.
Milch kommt außerdem ohne Zusatzstoffe aus. Vitamine, Zucker etc. müssen nicht extra hinzugefügt werden – sie sind bereits da. Stabilisatoren, Säureregulatoren, Aromen, Geschmacksverstärker sind bei der Milch, im wahrsten Sinne des Wortes, überflüssig.
Milchersatzprodukte sind überteuert
Wer durch den Supermarkt schlendert, dem werden vor allem die Preisunterschiede zwischen Milch und Milchersatzprodukten auffallen. Milchalternativen sind deutlich teurer, obwohl in der Herstellung bedeutend günstiger, da sie zum größten Teil aus Wasser bestehen. Auch ein Grund, warum die „Großkopfträger“ der Milchindustrie inzwischen auf den lukrativen Zug aufgesprungen sind und ihr Sortiment um Haferdrinks etc. erweitert haben.
Unstrittig ist, dass Kuhmilch viel zu günstig ist. Das ist nicht nur die Meinung der Milchbauern, die von einer Preiserhöhung natürlich profitieren würden. Experten berechnen einen Milchpreis, der in etwa doppelt so hoch sein müsste, wie der aktuelle. Zur Veranschaulichung: Aktuell bekommen die Bauern durchschnittlich 33 Cent/Kilo. 44 Cent/Kilo wären notwendig, dass zumindest kostendeckend gearbeitet werden könnte. Über Nachhaltigkeit reden wir jetzt noch nicht einmal.
Umso erstaunlicher, dass bei Bio-Milchprodukten kaum geschummelt wird, wie eine Reportage des ZDF herausgefunden hat. Häufig wird nämlich inzwischen der Maisgehalt untersucht. Denn Mais wird auf Bio-Höfen für gewöhnlich nicht als Futtermittel für die Kühe eingesetzt. Ist der zu hoch, wurde geschummelt.
Konsumentenfalle Milchpulver!
Die wirkliche Falle für den Konsumenten liegt jedoch im Milchpulver. Fast überall wird es verwendet. Der Grund ist supersimpel. Milchpulver ist der ideale Träger für die „richtigen“ Geschmacksverstärker. Und es beinhaltet von Natur aus Glutamat, dass aber nicht auf der Verpackung deklariert werden muss. Zudem besteht Milchpulver zum Großteil aus Zucker und Fett.
Kein Wunder, dass Milchpulver sogar bei der Produktion von Kartoffelchips verwendet wird. Auch bei Tiefkühl-Backfisch kommt es zum Einsatz. Hier sorgt es für die richtige Konsistenz des Teiges und eine schöne Bräunung beim Aufbacken.
Im Supermarkt findet man zahlreiche Produkte, wo es offensichtlich ist, dass Milchpulver enthalten ist. Dazu gehören etwa fertiges Kartoffelpüree, Tiefkühlkroketten oder cremige (süße) Brotaufstriche. Ein Blick auf die Verpackung ist in jedem Fall lohnend – nicht nur wegen des Milchpulvers.
Fazit
Es ist ein großes Dilemma. Auf der einen Seite ist die Milch zu günstig und die Milchalternativen aus Profitgier der Unternehmen zu teuer. Das sorgt dafür, dass den Milchbauern zu wenig Anreize geboten werden, auf Bio-Produktion umzustellen.
Aus ernährungs- und gesundheitlicher Sicht gibt es keine wirklichen Gründe, auf Milch zu verzichten. Auch der ökologische Faktor zählt bei zahlreichen Varianten nicht als Argument. Bleibt die Ethik. Und das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Starkoch Nelson Müller (42) brachte es in seiner ZDF-Sendung „Lebensmittelreport“ auf den Punkt. Müller: „Milch ist zweifelsohne ein tolles Lebensmittel, was wir wieder viel mehr schätzen lernen sollten. Als billiges Mittel zum Zweck für die Industrie oder den Einzelhandel ist sie definitiv zu schade.“