Ein Shake vor oder nach dem Training ist ein beliebtes Tool, um seine Proteinzufuhr zu steuern
12. Oktober 2022
von PIERRE SCHOBER

Bei Diät und Muskelaufbau

Ist ein Proteinshake die Allzweckwaffe?

Nach dem Training beginnt für deinen Körper die eigentliche Arbeit. Damit er dabei nicht schlapp macht, greifen viele Sportler auf einen Proteinshake zurück. Doch ist das für Hobby-Sportler überhaupt nötig? Wir sprachen mit dem Ernährungsmediziner und ehemaligen Schwimmstar Dr. Mark Warnecke (Olympiabronze 1996).

♦ Proteinshakes sind eine eierlegende Wollmilchsau, deren Vorteile man nutzen kann, aber nicht muss
♦ Shakes sorgen dafür, dass du schneller in den Regenerationsmodus schaltest und verhindern einen Post-Workout-Heißhunger
♦ Proteinshakes sind besonders für ältere Menschen wichtig, deren Bedarf mit dem Alter steigt

Was sollten wir nach dem Training zu uns nehmen? Die Frage beschäftigt viele Sport-Einsteiger, aber auch Leistungssportler. Hierfür ist es notwendig, zu verstehen, was im Körper nach dem Workout passiert.

Was passiert im Körper nach dem Training?

Warnecke: „Training ist immer eine Adaption an einen gewissen Reiz oder die Gewöhnung an einen Reiz, den man sich setzt. Gewöhnung entsteht, indem man aus dem Normallevel heraus belastet.“ Dies bedeutet, dass deine Muskulatur, das Bindegewebe und alles, was du so darum hast, belastet wird – wohlgemerkt nicht überlastet! Warnecke: „Dein Körper denkt sich nun: Ich muss das vielleicht nun öfter machen. Darauf bereite ich mich nun mal besser vor und optimiere mich, damit ich das nächste Mal präpariert bin.“

Dabei gehen die Gedanken von Kopf und Body oft auseinander. Wir kennen das vom Training, wenn wir schon unter der Dusche an unseren „glühenden Muskeln“ merken, dass wir etwas getan haben. Warnecke: „Der Kopf signalisiert uns, dass das ein gutes Gefühl ist. Der Körper denkt sich hingegen: ‚Mist, ich komme nicht hinterher. Ich muss was tun.‘ Also beginnt ab da direkt die Phase der Regeneration, die anabole Phase, um nicht den alten Zustand wiederherzustellen, sondern sich quasi zu verbessern.“

Der Körper adaptiert also diesen höheren Reiz. Deshalb ist es auch so wichtig, dass man es im Training nicht übertreibt, sondern die Belastung richtig setzt. Sonst kommt der Körper nicht hinterher. Wir dürfen aber auch nicht „unterbelasten“.

Regeneration entscheidet über Erfolg oder Misserfolg deines Workouts

Entscheidend für den Erfolg sind nicht nur Training und Ernährung, sondern vor allem die Regeneration. Platt gesagt: Im Schlafzimmer passiert die Magie. Warnecke: „Der Erfolg im Training ist immer abhängig von der Regeneration. Durch die Regeneration passiert das Wachstum, nicht nur Muskelwachstum.“ Spätestens hier musst du wissen, was du deinem Körper gibst, damit er effektiv arbeiten kann.

Habe ich mich nur locker eine Stunde bewegt, kann dein Körper dies über die normale Ernährung meistern. Dennoch so Warnecke: „Der Proteinshake ist aber natürlich ein unheimlich gutes Tool. Deshalb macht er ja prinzipiell auch Sinn. Zum einen schmeckt der und zum anderen – abhängig vom Trainingsziel – ist er eine eierlegende Wollmilchsau. Er hat einige Vorteile, die man mitnehmen kann, aber nicht muss.“

Trainierst du beispielsweise mit dem Ziel, ein wenig Gewicht zu verlieren und dich fitter zu fühlen, hilft dir der Shake, nach dem Training schnell mit Nährstoffen in die Regeneration zu gehen. Schneller, als wenn du zwei Stunden nichts zu dir nimmst.

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Geist und Körper nehmen das Training unterschiedlich wahr

Aber ein Punkt wird oft nicht bedacht. Warnecke: „Dein Body geht da schon einmal in die Adaption und der Shake macht mich dazu auch noch satt. Das heißt: Ich fahr nach Hause, muss an der Tankstelle halten, weil mein Tank leer ist und hole mir nun aber kein Mars, weil ich Kohldampf nach dem Training habe.“ Nur hungrig nach dem Training einkaufen, ist da wohl noch schlimmer.

Warnecke: „Man denkt ja gerne nach einer halben Stunde Radfahren, ich kann jetzt Currywurst, Pommes, Majo essen. Stimmt aber nicht. Ich habe vielleicht zehn Gramm Schokolade verbrannt. Das Verhältnis, wie ich mich nach dem Sport fühle und wie es wirklich ist, passt nicht zusammen.“

Der Shake hat also den psychologischen Vorteil, dass unser Kopf uns sagt, dass wir satt sind und physiologisch, dass dein Körper schon direkt mit der Regeneration loslegt. Warnecke: „Wir müssen davon weg, zu sagen, Proteinshakes sind Proteine, die nur etwas für Bodybuilder sind, die dicke Arme wollen. Das ist vollkommen falsch. Es gibt ja mehrere Zielgruppen. Als ‚Tool‘ macht der Shake absolut Sinn – zum Beispiel bei den Leuten, die eine Diät machen. Das kann übrigens auch Leistungssportler treffen. Da arbeitet man auch mit Shakes, damit die satt werden und abnehmen. Obwohl die in dem Moment die Proteine gar nicht brauchen.“

Proteinshakes sind auch für ältere Menschen sinnvoll

Doch ein Proteinshake ist noch für eine andere Zielgruppe wichtig: ältere Menschen. Warnecke: „Ältere Leute haben einen höheren Proteinbedarf. Das ist total unterschätzt. Um die Sarkopenie, den Muskelverfall, aufzuhalten, helfen dir natürlich Proteinshakes. Verbunden mit ein wenig Krafttraining sorgen die Shakes im Alter für eine deutlich höhere Lebensqualität. Natürlich nicht allein, aber sie helfen und das ist wichtig.“

Klar, kann man dies auch über die Ernährung hinbekommen. Ein Proteinshake ist aber die schnellere, elegantere und vor allem effizientere Methode, deinen Proteinbedarf zu decken. Warnecke: „Du willst dein Training ja effizient gestalten und dazu gehört dann auch die Ernährung. Du willst doch nicht noch stundenlang am ‚Getränk danach‘ rumhexen.“

Der Proteinshake ist also nicht zwingend notwendig, als ‚Tool‘ (Werkzeug) aber eine große Hilfe, deine sportlichen Ziele zu erreichen. Viele machen beim Proteinshake aber einen großen Fehler. Warnecke: „Trainiere ich nun aber abends und will nicht zunehmen. Dann darf ich nicht abends normal essen und noch zusätzlich einen Shake zu mir nehmen. Denn das sind ja dann noch einmal zusätzliche Kalorien. Ich muss jetzt nicht direkt damit eine Mahlzeit ersetzen, aber es schon funktionell richtig einsetzen.“

Wie viel Protein braucht dein Körper? Kenne deinen Bedarf

Eine weitere Sache, die unbedingt sinnvoll ist, ist es, seinen Proteinbedarf zu kennen. Schließlich hat unser Körper keinen Proteinspeicher. Es macht also keinen Sinn, mehr zu sich zu nehmen, als wir verarbeiten können. Den „überflüssigen“ Rest scheidet der Körper einfach aus.

Viele ambitionierte Hobbyläufer denken weiterhin, dass Shakes nur etwas für Bodybuilder sind. Warnecke: „Vergleichen wir einen extremen Ausdauersportler und einen Bodybuilder auf einem vergleichbaren Level, ist es nicht gesagt, dass der Bodybuilder mehr Proteine braucht. Der Bedarf an Proteinen richtet sich nicht allein nach der Muskelmasse, sondern der Muskelarbeit. Skilangläufer haben im Leistungssportbereich den höchsten Proteinbedarf.“

Bekommt der Körper nun nicht genug Proteine, geht der Schuss nach hinten los. Wir bauen am Ende trotz Training sogar Muskulatur ab – im worst case. Das Bindegewebe wird dann zum „Reserve-Protein-Tank“.

Ist eine Apfelschorle genauso gut wie ein Iso-Drink?

Eine ähnliche Diskussion wie bei Protein-Shakes gibt es auch über Iso-Drinks. Die Leute, die sagen, dass eine Apfelschorle den gleichen Effekt hat, werden nicht weniger. Warnecke: „Nun komme ich als Ernährungsmediziner daher und sage, dass da kein Salz drin ist. Ja, dann mach ich eine Prise rein. Und wie viel Gramm ist eine Prise? Ich habe meinen Bedarf ausgerechnet. Aber könntest du das? Bei der gekauften Apfelschorle sehe ich, was drin ist. Bei der selbst gemixten habe ich am Ende noch den billigen Fruchtsaft genommen, der nur aus Fructose und Glukose besteht.“

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Buttermilch ist ein Self-Made-Proteindrink

Ein ein wenig aus der Mode gekommener Recovery-Drink ist die Buttermilch. Warnecke: „Zusammengefasst ist Buttermilch sehr proteinreich, sättigt dadurch, gibt Energie, ist aber auch gleichzeitig zuckerarm. Dazu kannst du diese mit Obst aufpimpen. Man sollte es weglassen, wenn man eine Diät macht, wegen des Fruchtzuckers. Man muss also aufpassen. Buttermilch ist kalorienarm, hat wichtige Nährstoffe. Wenn man sie mag, ist es ein Top-Getränk.“ Und dazu noch verhältnismäßig günstig.

Warnecke: „Sie ist so ein bisschen der Self-Made-Proteindrink. Whey und Co sind natürlich einfacher und schneller vom Körper aufzunehmen, da es sich bei der Buttermilch um längerkettige Proteine handelt.“

Was soll ich aber tun, wenn ich zu den Leuten gehöre, die nach dem Sport partout nichts herunterbekommen? Auch hier hat der Experte eine einfache, aber geniale Lösung. Warnecke: „Ich kann dann mit Aminosäuren arbeiten. Wir haben eine Art Matrix aus verschiedenen isolierten Aminosäuren kreiert, die ich mir persönlich dann in ein Iso-Getränk mische. Du musst es schaffen, eine hohe Konzentration an Nährstoffen in eine Flüssigkeit zu bekommen, die leicht verdaulich ist, aber auch nicht übertrieben.“

Einfachzucker und Alkohol: Alster ist nach dem Training nicht sinnvoll

Es gibt auch heute noch Hobbysportler, die nach dem Training auf ein Alster (Bier mit Limo) zurückgreifen. Gefährlich. Warnecke: „Klar hast du einen Verbrauch gehabt und gibst deinem Körper nun schnelle Energie, die vom Körper gut aufgenommen wird. Aber bei Alkohol handelt es sich um ein Zellgift, auf das ich dringend verzichten würde.“

Das nächste Problem ist der Einfachzucker. Warnecke: „Ein gutes Sportgetränk würde mehrere Zucker anbieten, damit du nicht diesen hohen Einmal-Peak hast, sondern der Nutzen länger anhält. Deshalb macht man heute ja auch keine Traubenzucker-Reingabe mehr. Es ist jetzt auch nicht schädigend, aber halt auch nicht ideal.“

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Energy-Drinks: Die Dosis macht das Gift

Ein Thema, das beim Experten den Puls in die Höhe gehen lässt, sind Energy-Drinks. Warnecke: „Prinzipiell sind die richtig eingesetzt ein Klasse-Tool. Es ist aber nicht normal, dass du am Tag drei, vier, fünf, sechs Energy-Drinks zu dir nimmst, als wäre es ein normales Getränk. Das ist einfach nicht so.“

Noch schlimmer sind für den mehrfachen Schwimm-Weltmeister – er ist bis heute mit 35 Jahren der älteste Weltmeister der Geschichte – Limonaden oder Cola-Getränke. Warnecke: „Für mich als Ernährungsmediziner sind sie das größte Problem, das wir haben. Wenn ich daran denke, was die Politik alles verbieten möchte, aber hier wegguckt, puh …“

Trinkt man quasi nichts anderes, ist das für den Experten eine „Riesenkatastrophe“. Dazu gehören auch Energy-Drinks. Warnecke: „Bei den Energy-Drinks kommen dann noch die Wirkstoffe dazu. Auch Koffein und Taurin sind Wirkstoffe. Am besten noch beim Frühstück, um wach zu werden. Als Freizeitgetränk darauf zurückzugreifen, ist einfach falsch.“

Koffein-Shots machen Sinn bei geringem regulärem Koffein-Konsum

Dennoch betont er, dass natürlich die Dosis das Gift macht. Diese wird von vielen Menschen schlicht und ergreifend überschritten. Ähnlich verhält es sich mit Koffein-Shots. Warnecke: „Sie machen Sinn, wenn wir uns komplett darauf beschränken. Wenn ich den in meinen Ernährungsplan einbaue. Er macht kaum Sinn, wenn du fünf, sechs Tassen Kaffee am Tag trinkst. Dann habe ich schon wieder zu viel.“ Unbestritten ist die positive Wirkung des Koffeins vor dem Sport. Warnecke: „Aber wenn ich diese nutzen will, muss ich ansonsten abstinent sein. Sonst stellt sich eine Gewöhnung ein.

Was bleibt? Ob wir nun auf einen Protein-Shake zurückgreifen, hängt auch von deinem Ziel und deinem Training ab. Bist du ein reiner Hobbysportler, ist er ein nützliches Tool, um etwa deinen Appetit nach dem Sport zu regulieren, aber auch, um deinem Körper hochwertiges Protein schnell zur Verfügung zu stellen.

Instagram / Dr. Mark Warnecke

Dr. Mark Warnecke (52) ist einer der erfolgreichsten deutscher Schwimmer. Bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta über 100 Meter Brust die Bronzemedaille. Zudem ist er bis heute der älteste Schwimm-Weltmeister der Geschichte. Bei seinem Titelgewinn über 50 Meter Brust war er bereits 35 Jahre alt.

Der Ernährungs-Mediziner entwickelte schon während seiner Karriere eine eigene Diät, aus der seine Firma AMSPORT entstand.