Experte verrät
Das solltest du über Supplements wissen
Von BCAAs, EAAs, Creatin bis L-Arginin – Ernährungsexperte Jasper Caven (28) nimmt sich alle Supplements zur Brust und verrät, welche eine sinnvolle Ergänzung zu deinem Training sind und welche nur teuren Urin produzieren.
Jasper, braucht man Nahrungsergänzungsmittel überhaupt, wenn man sich gesund und ausgewogen ernährt?
Es gibt bestimmte Menschengruppen, die einen besonderen Bedarf haben können. Zum Beispiel wir Deutschen sollten alle im Winter Vitamin D zu uns nehmen, weil wir in unseren Breitengraden einfach zu wenig Sonne in der kühlen Jahreszeit abbekommen. Oder Veganer sollten Vitamin B12 ergänzen. Aber bei den Wenigsten ist Supplementierung ein Muss.
Der Eiweißkonsum ist ein großes Thema unter Kraftsportlern. Viele nehmen Proteinpulver zu sich, um eine höhere Eiweiß-Zufuhr zu erreichen. Doch wie viel Gramm braucht man überhaupt?
Das hängt immer von der Zielsetzung ab. Ich persönlich empfehle Sportlern gerne 1,5 – 2 Gramm Eiweiß pro Tag, weil wir nette Vorteile vom Eiweiß haben. Es schützt meine Muskulatur vor dem Abbau und sättigt auch einfach sehr gut. Wenn ich lange satt bin, muss ich insgesamt weniger essen und habe es leichter, eine geringere Kalorienmenge aufzunehmen. Und der dritte nette Effekt ist, dass Eiweiß einen höheren thermischen Effekt hat. Das heißt, wenn ich zum Beispiel 100 Kalorien aus Kohlenhydraten esse, dann kommen fast die kompletten 100 Kalorien im Körper an. Aber wenn ich 100 Kalorien aus Eiweiß esse, dann geht direkt ein minimaler Bruchteil für die Verdauungs- und Wärmeprozesse verloren.
Kann man bei all den positiven Aspekten von Eiweiß denn auch zu viel konsumieren und kann es negative Auswirkungen haben, wie zum Beispiel Nierenbeschwerden?
Tatsächlich nicht. Wenn Menschen eine Nieren-Vorerkrankung haben und dadurch geschädigte oder schwache Nieren, dann sollten sie nicht zu viel Eiweiß essen oder durch Proteinpulver zu sich nehmen, denn da muss die Niere einfach etwas mehr arbeiten. Wenn ich aber keine Nieren-Vorerkrankung habe, hat ein hoher Eiweißkonsum laut Studien keine negativen Effekte. Diese haben nur gezeigt, dass die Niere mehr arbeitet und sich ihre Filtrationsrate dadurch erhöht. Das ist aber ein normaler Prozess und hat keine schädigende Wirkung.
Magnesium ist wohl eines der beliebtesten Supplements unter Freizeitsportlern. Wie sieht es hier aus?
Magnesium unterstützt die Knochendichte und ist gut zur Stressreduktion, bei Einschlafproblemen, sowie für die Muskelaktivität. Gerade für Menschen, die Krämpfe haben, empfiehlt sich die Einnahme von Magnesium. Ein Mensch, der sich davon angesprochen fühlt, der darf eine Ergänzung also gerne einfach mal testen. Nun ist es aber so, dass wir unseren Magnesium-Bedarf natürlich auch über die Ernährung decken können. Ein Sportler zum Beispiel, der akribisch auf seine Ernährung achtet, der braucht normalerweise kein Magnesium-Supplement. Aber bei einem Otto Normalverbraucher, der sich nicht ganz so bewusst ernährt, macht es Sinn und kann positive Effekte haben.
Wenn es um den Aufbau und den Schutz von Muskeln geht, sind essentielle Aminosäuren in Form von BCAAs und EAAs bei Kraftsportlern hoch im Kurs. Was hältst du davon?
Ich persönlich finde, dass bei diesen Produkten Preis und Leistung nicht mehr im Verhältnis stehen, denn in meinen Augen machen sie höchstens in absoluten Extremphasen Sinn. Also entweder, wenn man Wettkampf-Bodybuilder ist und während einer Diät auf Teufel komm raus noch mal alles tut, um das letzte Gramm Muskeln zu schützen. Oder wenn man Langzeit-Ausdauersportler ist und beispielsweise während eines Marathons sehr viele Stunden am Stück Sport macht. In solchenionen fängt nämlich der Körper Situatan, Eiweiß als Energielieferant mitheranzuziehen. Aber der Otto Normalsportler sollte lediglich darauf achten, dass er insgesamt genügend Eiweiß isst. Und dann braucht er auch keine BCAAs oder EAAs.
Wie sieht es dann mit den nicht-essentiellen Aminosäuren aus, wie zum Beispiel Kreatin? Hat das Supplement wirklich eine leistungssteigernde Wirkung?
Kreatin ist eines der wenigen Supplements, die extrem gut untersucht sind und zeigt ganz klar eine Wirkung. Kreatin sorgt dafür, dass wir etwas mehr Energie in den ersten Sekunden des Trainings bereitstellen können. Das führt dazu, dass wir etwas schwerere Gewichte oder etwas mehr Wiederholungen schaffen. Wenn die durchgehende Belastungszeit beim Krafttraining allerdings über 20 – 30 Sekunden hinausgeht, ist es bereits nicht mehr interessant. Zum Überleben brauchen wir Kreatin in dem Sinne jedoch nicht, da der Körper es selbst in ausreichenden Mengen bildet. Wenn man aber diesen sportlichen Effekt darüber hinaus erzielen möchte, dann kann man es nehmen.
Und wie wirkt sich L-Arginin beim Training aus?
Durch L-Arginin wird die Durchblutung in der Muskulatur verbessert. Dadurch bekommt man einen spürbar größeren Pump während des Sports und den Eindruck einer effektiven Trainingseinheit. Das mag vielleicht ein schönes Gefühl sein, aber für den Muskelaufbau hat es nur einen kleinen Effekt. Denn die Fortschritte, die ich dadurch mache, werden so klein sein, dass sie in der Praxis nicht wirklich messbar sind.
Wie sinnvoll findest du L-Carnitin? Diese weitere nicht-essentielle Aminosäure wird bei Sportlern ja oftmals zur besseren Fettverbrennung eingesetzt.
Das entscheidende Enzym bei der Fettverbrennung ist das Transporter-Enzym CPT-1, welches wir nicht beeinflussen können. Wenn ich mir also L-Carnitin reinschütte, aber nicht genug vom Transporter-Enzym CPT-1 vorhanden ist, wird die Fettverbrennung auch nicht schneller. Das heißt Menschen, die einen L-Carnitin-Mangel haben, könnten tatsächlich einen Vorteil von dessen Einnahme haben. Davon sind allerdings sehr wenige betroffen.
Nun stellt sich bestimmt vielen die Frage, ob Nahrungsergänzungsmittel auch mehr Schaden anrichten können, als dass sie einen Nutzen haben.
Die meisten Nahrungsergänzungsmittel können eher kurzfristige Beschwerden verursachen, wie zum Beispiel Übelkeit, Durchfall oder Magenkrämpfe. Wenn ein Supplement Koffein beinhält, dann kann auch Zittrigkeit auftreten. Es gibt aber auch einige Vitamine, die mehr Schaden anrichten können. Das sind zum Beispiel Ergänzungsmittel im Mineralstoff-Bereich, wie Selen oder Jod. Oder die fettlöslichen Vitamine A, E, D und K. Diese kann man überdosieren, weil sie einfach sehr lange im Körper gespeichert werden. Von den meisten Sachen müsste man aber schon raue Mengen einnehmen, damit sie Beschwerden machen.
Und was passiert, wenn man sich nun auf Nahrungsergänzungsmittel verlässt und seine Ernährung vernachlässigt?
Sich auf Nahrungsergänzungsmittel zu verlassen, ist nicht Sinn der Sache. Wenn wir uns ausgewogen ernähren, bietet uns jedes Lebensmittel viele wertvolle Stoffe auf einmal. Wir haben also Ballaststoffe, verschiedene Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe drin. Das alles fehlt uns in Supplements. Im Grunde genommen können wir unseren Nährstoffbedarf auch komplett durch natürliche Lebensmittel decken. Hülsenfrüchte, Fleisch und Quark enthalten zum Beispiel viel Eiweiß. Magnesium können wir in Form von Nüssen, Leinsamen und dunkler Schokolade zu uns nehmen. Kreatin finden wir in Fisch und Fleisch wieder und alle tierischen Produkte, sowie Soja und Quinoa verfügen über die essentiellen Aminosäuren. Man sollte also immer zuerst die Ernährung optimieren und dann eine Nahrungsergänzung in Betracht ziehen, falls einem ein bestimmter Stoff fehlt. Wenn man ein Multipräparat nimmt und einfach isst, was man will, wird einem am Ende trotzdem irgendwas fehlen.
Unterm Strich kann die Ergänzung von Proteinpulver und Magnesium für den Freizeitsportler durchaus sinnvoll sein, wenn man es nicht schafft, seinen Bedarf über die Nahrungsaufnahme zu decken. Doch alle anderen Mittelchen sind für Normalos nicht unbedingt notwendig.
Jasper Caven wurde 1991 in Berlin geboren, 2014 erwarb er den Bachelor in Ernährungsberatung an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Zusätzlich erwarb er über zehn Lizenzen an der BSA-Akademie. Sein Wissen der letzten zehn Jahre gibt er nun in YouTube-Videos weiter. Außerdem schrieb er staatlich anerkannte Studienbriefe als Dozent für Sporternährung und Ernährungsplanerstellung und veröffentlichte 2016 sein erstes Buch: „Ernährung mit Plan“.