Wenn es um den Muskelaufbau geht, ist Kreatin für viele DAS Supplement schlechthin – dabei kann es durchaus Nebenwirkungen haben
8. August 2022
von Franziska Schindler

Experte verrät

Das bringt Kreatin für den Muskelaufbau

Täglich ein bisschen weißes Pulver einnehmen und alles wird gut? Zumindest für deine Muskeln ist das nicht verkehrt! Wir haben mit dem Sportwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Gießing über Kreatin gesprochen und verraten dir, was der „heilige Gral“ unter den Supplements wirklich bringt.

  • Kreatin sorgt dafür, dass du die maximale Muskel-Leistung länger aufrechterhalten kannst und begünstigt so langfristig den Muskelaufbau, sofern du ein sogenannter Responder bist
  • Du solltest täglich drei bis fünf Gramm Kreatin-Monohydrat zusammen mit Wasser zu egal welcher Tageszeit einnehmen – eine „Ladephase“ steigert die Wirksamkeit genauso wenig wie eine Kur
  • Mögliche Nebenwirkungen beschränken sich vorrangig auf eine Gewichtszunahme aufgrund von Wassereinlagerungen, welche dich nicht aufgequollen aussehen lassen

Was ist Kreatin?

Wir alle haben Kreatin (vom Griechischen „kreas“ = „Fleisch“) in unserem Körper. Dabei handelt es sich um eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung, die primär in den Muskelzellen vorkommt. Sie wird von der Bauchspeicheldrüse, den Nieren und der Leber hergestellt. Die drei Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin stellen ihre Grundbausteine dar. Kreatin spielt eine Hauptrolle im Energiestoffwechsel der Skelettmuskulatur und wird vor allem bei kurzzeitiger Muskelarbeit benötigt.

Kreatin für den Muskelaufbau sinnvoll?

Führst du Kreatin von außen zu, erhöht sich die Menge an Kreatinphosphat im Muskel. Das zögert die Ermüdung bei kurzen, hochintensiven Belastungen hinaus, beispielsweise beim Krafttraining. Auf diese Weise arbeiten deine Muskeln, ohne zu übersäuern auf einem hohen Niveau und du bist imstande, die maximale Leistung länger aufrechterhalten. Das kann auf Dauer den Muskelaufbau begünstigen – Studien belegen dies (zum Beispiel 2017, 2003).

Die International Society of Sports Nutrition sieht das genauso. In ihrem offiziellen Statement zum Supplement heißt es wörtlich: „Kreatin-Monohydrat ist das effektivste ergogene [Anm. d. Red.: „leistungssteigernde“] Nahrungsergänzungsmittel, das Sportlern derzeit zur Verfügung steht, um die hochintensive körperliche Belastbarkeit und die fettfreie Körpermasse während des Trainings zu steigern.“ Die Society geht sogar noch weiter und hält fest, dass Kreatin in Sachen Ernährung eine Alternative für „potenziell gefährliche, anabole Drogen“ darstelle – legales Doping also, für das nicht mal eine Spritze nötig ist. Aber weshalb ist eine zusätzliche Aufnahme von Kreatin erforderlich?

Natürliches Kreatin reicht nicht aus

Kreatin wird in kleinen Mengen vom Körper hergestellt und ist ein natürlicher Bestandteil vieler Lebensmittel – es ist in Fleisch und Fisch enthalten. Obst, Gemüse und Milchprodukte verfügen lediglich über marginale Spuren des Moleküls. Warum sollte man es nun überhaupt supplementieren? Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Gießing hat ein Buch über Kreatin geschrieben und kennt sich mit dem Supplement aus wie kein anderer. Seine Antwort auf diese Frage ist eindeutig:

Um eine Menge zu erreichen, die zu der erwünschten Kreatin-Phosphat-Bildung in der Muskulatur führt, müsste man Fleisch im Übermaß essen, wenn man davon ausgeht, dass man je nach Alter, Körpergröße, Anteil an Muskelmasse und weiteren Faktoren circa zwei bis fünf Gramm am Tag dazu braucht.“ Konkret wären das beispielsweise ein halbes Kilo Thunfisch bis ein ganzes Kilo Schweinfleisch – wer schafft das schon?

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Ferner fügt der Experte hinzu: „Daher profitieren Vegetarierinnen und Vegetarier tendenziell stärker von der Kreatin-Supplementierung als andere. Sie nehmen nur Spuren von Kreatin über die Nahrung zu sich. Und gerade in der veganen Ernährung sind es praktisch null Gramm.“ Was hingegen im Rahmen jeder Ernährungsweise gleich abläuft, ist die Einnahme des Nahrungsergänzungsmittels.

Die richtige Einnahme von Kreatin

Welches Supplement?

Kreatin-Monohydrat ist die gängigste Form des Nahrungsergänzungsmittels. Studien belegen, dass andere Formen (beispielsweise „buffered creatine“ oder „polyethylene glycosylated creatine“) keine nennenswerten Vorteile bieten. Das Supplement ist als Pulver, Tablette oder Kapsel erhältlich. Für welche Darreichungsform du dich entscheidest, macht für die Wirkung von Kreatin auf den Muskelaufbau keinen Unterschied.

Wie viel und womit?

Um von seinem leistungssteigernden Effekt zu profitieren, solltest du drei bis fünf Gramm täglich zu dir nehmen – und das auch an trainingsfreien Tagen. An Rest Days dient die Dosis dazu, deinen Kreatin-Spiegel in den Muskeln aufrechtzuerhalten. Nur bei einer lückenlosen, täglichen Einnahme kann das Nahrungsergänzungsmittel seine Wirkung entfalten. Studien legen außerdem nahe, es zusammen mit Eiweiß und Kohlenhydraten zu konsumieren, damit es besser von den Muskeln absorbiert wird. Was sagt Prof. Dr. Dr. Gießing dazu?

„Früher hat man vermutet, dass die Einnahme von Kreatin in Kombination mit Kohlenhydraten und Proteinen von Vorteil ist, weil dadurch der Insulinspiegel ansteigt. Insulin sorgt dafür, dass Nährstoffe – insbesondere Kohlenhydrate – gut von den Zellen aufgenommen werden. Also ging man davon aus, dass dies auch für Kreatin gilt. Prinzipiell stimmt das auch, aber da wir ja wissen, dass Kreatin auch nüchtern zu 100 Prozent aufgenommen wird, ist es absolut nicht erforderlich.“

Dem Kreatin-Experten zufolge ist Wasser das Wichtigste bei der Einnahme. Darin löst du das Kreatin-Monohydrat auf, sofern es sich um ein Pulver handelt. Gießing macht außerdem klar, dass ein bis zwei zusätzliche Gläser Wasser täglich vollkommen ausreichen, um die Wassereinlagerungen im Muskel auszugleichen.

Wann?

Prof. Dr. Dr. Gießing: „Es ist grundsätzlich egal, wann man Kreatin zu sich nimmt. Es wird immer gleich gut vom Körper verwertet. Nach dem Training und nach dem Aufstehen nutzt man lediglich die Tatsache, dass die Zellen besonders aufnahmebereit sind. Der Effekt ist deswegen aber nicht stärker, was die Kreatin-Einlagerung angeht. Das ist noch am ehesten für Leistungssportlerinnen und -sportler von Interesse. Wenn es nur darum geht, mehr Kreatinphosphat in der Muskulatur einzulagern, ist es also egal, ob ich Kreatin nachts um drei, nach dem Aufstehen oder dem Training konsumiere. Daher kann man es sich einfach machen und es dann einnehmen, wann es passt.“

Gut zu wissen: Die tägliche Kreatin-Einnahme für den Muskelaufbau muss nicht einmal zur selben Uhrzeit geschehen. Aber was solltest du zu Beginn beachten?

„Ladephase“ und Kreatin-Kur sinnvoll?

Oftmals wird dazu geraten, die Kreatin-Einnahme mit einer sogenannten Ladephase zu beginnen. Dabei nimmst du 20 bis 25 Gramm Kreatin täglich über die Dauer von fünf bis sieben Tagen zu dir. Danach beschränkt sich die Dosierung auf die regulären drei bis fünf Gramm. Sinn und Zweck dieser Phase ist es, deine Kreatin-Speicher so schnell wie möglich aufzufüllen. Das ist allerdings nur sinnvoll, wenn du Kreatin für einen sehr kurzen Zeitraum von wenigen Wochen einnehmen willst. Planst du eine langfristige Einnahme, überwiegen die möglichen Nachteile der hohen Kreatin-Dosierung während der Ladephase – es können Mundgeruch, Blähungen und Krämpfe eintreten.

Das Gleiche gilt für eine Kreatin-Kur – diese kannst du mit und ohne Ladephase beginnen. Im Anschluss nimmst du deine drei bis fünf Gramm täglich über den Zeitraum von acht bis zwölf Wochen ein und machst danach eine Pause über die Dauer von vier bis sechs Wochen. Anschließend wiederholst du diesen Zyklus. Aber auch diese Art der Einnahme scheint keinen Vorteil gegenüber einer dauerhaften zu haben.

Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Gießing kann dies bestätigen: „Einnahme-Pausen waren früher notwendig, weil die Leute 20, 30 Gramm am Tag genommen haben. Bei dieser enormen Überdosierung hat der Körper die eigene Kreatin-Produktion eingestellt. Dann musste man immer mal wieder eine Pause machen, damit sie wieder anspringt. Bei ein paar Gramm am Tag hingegen, kann man es problemlos durchgängig nehmen.“ Also ist Kreatin für den Muskelaufbau völlig unbedenklich?

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Mögliche Nebenwirkungen von Kreatin

Laut der International Society of Sports Nutrition ist die einzige klinisch signifikante Nebenwirkung von Kreatin, über die in der Forschung berichtet wird, eine Gewichtszunahme. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Fett, sondern vor allem um Wassereinlagerungen. Kreatin sorgt nämlich dafür, dass deine Muskeln mehr Wasser speichern – ungefähr ein bis zwei Prozent des Körpergewichts nach etwa vier Wochen Kreatineinnahme. Bei einem 80 Kilo schweren Mann wären das insgesamt 0,8 bis 1,6 Kilogramm.

Das äußert sich entgegen landläufiger Meinung nicht in Form eines aufgeschwemmten Körpers, sondern in Form von pralleren Muskeln. Denn das Wasser wird in diesem Fall nicht in der Unterhaut (subkutan) eingespeichert. Prof. Dr. Dr. Gießing klärt auf: „Die Wassereinlagerung durch Kreatin findet nur innerhalb der Muskelzelle statt. Negative Auswirkungen auf Haut, Hautfalten oder Fettgewebe sind daher nicht zu erwarten. Der Mythos, Kreatin könne zu einer Verschlechterung der Muskeldefinition führen, ist ebenso falsch.“

Ansonsten klagen einzelne Personen über Bauchkrämpfe, wenn sie Kreatin nicht mit ausreichend Flüssigkeit einnehmen. Bei hohen Dosierungen kann es – wie bereits erwähnt – zu Durchfall kommen. Daher ist es wichtig, dass du dich an die Dosis von täglich drei bis fünf Gramm hältst und reichlich Wasser dazu trinkst. Beherzigst du dies, gilt die Supplementierung als sicher. Bis dato gibt es keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass sich die kurz- oder langfristige Einnahme von Kreatin schädlich auf gesunde Menschen auswirkt – und wir sprechen hier von dem besterforschten Supplement auf dem Markt. Einen kleinen Haken gibt es da allerdings!

Non-Responder profitieren nicht von Kreatin

Die Bevölkerung unterteilt sich in Responder und sogenannte Non-Responder. Das heißt, es besteht das Risiko von ungefähr 20 bis 30 Prozent, dass Kreatin bei dir deutlich weniger bewirkt als bei anderen. Prof. Dr. Dr. Gießing: „Von Non-Respondern spricht man per Definition, wenn die Kreatinzunahme im Muskel einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Aber auch jene vergößern ihre Kreatinphosphat-Speicher und haben damit eine Wirkung – wenn auch eine geringere.“

Der Grund dafür liegt nicht auf der Hand, sondern in den Muskelfasern. Responder haben üblicherweise einen hohen Prozentsatz an Typ-2-Muskelfasern und einen geringen, natürlichen Kreatin-Spiegel. Bei Non-Respondern ist das Gegenteil der Fall. Zu welcher Kategorie du gehörst?

Probieren und Trainieren geht über Studieren! Nach dem ersten Monat, in welchem du Kreatin für den Muskelaufbau supplementiert hast, sollte dein Körpergewicht stärker als normal angestiegen sein. Wiege dich daher regelmäßig und dokumentiere ebenfalls deine Fortschritte im Gym. So kannst du feststellen, ob sich eine Wirkung bei dir einstellt.

Fazit: Kreatin ist nur ein einzelnes Teil im Puzzle. Erst, wenn du das Maximum aus Training, Ernährung und Regeneration herausgeholt hast, solltest du an Supplements denken. Abgesehen davon, gilt die Einnahme von täglich drei bis fünf Gramm Kreatin als sicher und kann in gesteigertem Muskelwachstum resultieren. Der Zeitpunkt der Einnahme ist egal. Neben ausreichend Wasser, musst du Kreatin noch nicht einmal mit etwas anderem kombinieren. Überdies bieten Ladephasen und Kreatin-Kuren keinen Vorteil gegenüber dem gleichbleibenden Konsum. Nachteile von der Einnahme hast du ebenfalls nicht zu befürchten. Die etwaige Gewichtszunahme geht lediglich auf Wassereinlagerungen in den Muskelzellen zurück, welche dich nicht aufgequollen aussehen lassen. Daher gilt: Feuer frei!

Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing (*1967) lehrt und forscht seit 2007 als Professor für Sportwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau. Zu seinen bekanntesten Publikationen zählt sein Buch über HIT, in welchem er die Trainingsmethode weiterentwickelt hat. Mit „Kreatin: Eine natürliche Substanz und ihre Bedeutung für Muskelaufbau, Fitness und Anti-Aging“ hat er das umfangreichste deutsche Buch über Kreatin veröffentlicht.