27. März 2023
von Franziska Schindler

Sauer macht krank?

Darum ist eine Säure-Basen-Diät überflüssig

Supplements, spezielle Socken und sogar ganze Hotels sollen der Übersäuerung des Körpers entgegenwirken. Aber wie sinnvoll ist eine solche Säure-Basen-Diät? Wir verraten dir, was dahintersteckt und wer sie wirklich braucht. Eins vorab: du wahrscheinlich nicht.

  • Man unterscheidet zwischen basenbildenden und säurebildenden Lebensmitteln – je nachdem, in welche Einzelteile ein Lebensmittel durch Verdauung und Stoffwechsel zerlegt wird.
  • Eine Säure-Basen-Diät besteht zum Großteil aus Basenbildnern, ist für gesunde Menschen mit einer ausgewogenen Ernährung allerdings nicht notwendig, denn ihr Körper reguliert den Säure-Basen-Haushalt von selbst.
  • Dennoch ist es wichtig, dass sich deine Säurelast in Grenzen hält, denn eine konstant hohe Ausscheidung kann möglicherweise mit gesundheitlichen Problemen einhergehen.

Theorie hinter der Säure-Basen-Diät

Im Rahmen einer Säure-Basen-Diät ernährst du dich zum Großteil von sogenannten basenbildenden Lebensmitteln. Die Theorie dahinter besagt, dass der Körper durch den Konsum bestimmter Nahrung übersäuert. Dabei handelt es sich nicht um geschmacklich saure Lebensmittel – Zitronen beispielsweise wirken basisch. Es geht vielmehr darum, in welche Einzelteile das Essen durch Verdauung und Stoffwechsel zerlegt wird.

Säurebildner: Sie entstehen, wenn der Körper mehr saure als basische Bestandteile aus der Nahrung gewinnt. Das gilt vor allem für proteinreiche Lebensmittel tierischer Herkunft wie Fleisch, Fisch, Wurstwaren, Eier und Milchprodukte. Aber auch Getreide, Süßigkeiten, sulfatreiches Mineralwasser und phosphathaltige Getränke wie beispielsweise Cola wirken säurebildend.

Basenbildner: Bringt die Verdauung mehr basische als saure Produkte hervor, wird ein Lebensmittel den Basenbildnern zugeordnet. Das trifft in der Regel auf mineralstoffreiches Essen zu, welches zum Beispiel über einen hohen Gehalt an Kalzium, Magnesium oder Kalium verfügt. Zu den Basenbildern gehören fast alle Obst- und Gemüsesorten, ebenso Trockenfrüchte, bestimmte Nüsse, Samen, Keimlinge, Kräutertees und hochwertiges Lein-, Oliven- oder Rapsöl.

Auf Basis dieses Wissens wird davor gewarnt, zu viele säurebildende Lebensmittel zu konsumieren. Dies würde das Säure-Basen-Gleichgewicht stören und hätte eine „latente Acidose“ zur Folge. Man bezeichnet sie auch als „versteckte Übersäuerung“. Sie kennzeichnet sich durch Müdigkeit, Erschöpfung, Stressempfindlichkeit, Muskel- und Gelenkbeschwerden, sowie Knochen-Schäden. Eine Säure-Basen-Diät soll dafür gut sein, derartige Erscheinungen zu verhindern. Aber was ist dran?

Säure-Basen-Diät wirklich sinnvoll?

Gesunde Menschen verfügen über sogenannte Puffersysteme, über welche sie fortwährend große Mengen an Säure auszugleichen oder auszuscheiden imstande sind. Zudem findet eine Regulation über Niere, Leber und Lunge statt. Eine Übersäuerung stellt in der Regel also nur eine Bedrohung dar, wenn die Säureausscheidungskapazität niedrig ist. Das trifft auf Frühgeborene, ältere Menschen und Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion zu. Bei Betroffenen kann der pH-Wert im Blut unter 7,35 sinken, was sich durch Herzprobleme oder Wahrnehmungsstörungen äußert.

Fest steht also, dass ausgeklügelte Regelmechanismen im Körper einer Acidose entgegenwirken. Sofern du dich ausgewogen ernährst, ist eine Säure-Basen-Diät ohnehin nicht notwendig. Landen auf deinem Teller neben Hähnchen und Quark auch regelmäßig Brokkoli und Walnüsse, brauchst du dir in der Regel keine Sorgen zu machen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt außerdem: „Weil wichtige Nährstoffe in zu geringen Mengen zugeführt werden könnten, ist langfristiges Basenfasten nicht empfehlenswert.“

Dennoch: Eine übermäßig säurelastige Ernährung kann deiner Gesundheit in gewissem Maße schaden.

Social-Media-Inhalte Verbergen

Hohe Säurelast trotzdem schädlich

Wenn dein Körper langfristig eine hohe Säurelast ausscheiden muss, kann unter anderem der Cortisolspiegel steigen. Auf lange Sicht betrachtet, führen hohe Werte des „Stresshormons“ mitunter zu Knochenschwund (Osteoporose), einer Verkümmerung der Muskulatur, Fetteinlagerung am Körperstamm und Magengeschwüren.

Weitere Hinweise liefert die DONALD-Studie des Instituts für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften (IEL) der Universität Bonn. Sie beschäftigt sich unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Remer damit, wie sich die Ernährung auf den Menschen auswirkt. Einer der Themenschwerpunkte stellt der Säure-Basen-Haushalt dar. Es wird vermutet, dass eine säurebildende Ernährungsweise mit diversen Gesundheitsproblemen in Verbindung steht. Dabei kann es sich um Gicht, Bluthochdruck oder Nierensteine handeln.

Insgesamt ist die momentane Studienlage jedoch zu gering für ein abschließendes Urteil. Dass du dich bei einem hohen Konsum von Säurebildnern häufiger müde und erschöpft fühlst, wurde bis dato noch nicht wissenschaftlich belegt. Wohingegen feststeht, was in deinem Körper abläuft.

Vorgänge im Körper und pH-Wert

Eine Großzahl deiner Organe ist auf eine dauerhafte Säurekonzentration angewiesen. Im Magen zersetzt Salzsäure Proteine und in der Scheide dient ein saures Milieu zur Abwehr von Krankheitserregern. Der basische Saft der Bauchspeicheldrüse und die ebenfalls basische Galle hingegen neutralisieren die Magensäure im Zwölffingerdarm. An erster Stelle im Säure-Basen-Haushalt steht jedoch das Blut. Sein pH-Wert liegt ungefähr bei 7,4. Sobald dieser auch nur minimal absinkt und weniger als 7,35 beträgt, wird tatsächlich eine Übersäuerung diagnostiziert. „Allein durch eine säurelastige Ernährung in diesen pH-Bereich zu kommen, ist jedoch quasi unmöglich“, so Thomas Remer – Leiter der Außenstelle der DONALD-Studie – dem SPIEGEL gegenüber.

Der pH-Wert (vom Lateinischen „potentia hydrogeni“ = „Potenzial des Wasserstoffs“) gibt Aufschluss über den sauren oder basischen Charakter einer wässrigen Lösung. Er definiert sich über die Menge an positiv geladenen Wasserstoff-Ionen (H+-Ionen) in einer Lösung. Für alle Chemie-Expertinnen und – Experten: Genau genommen entspricht der pH-Wert dem negativen dekadischen Logarithmus der Konzentration an H+-Ionen. Liegt er bei 7, handelt es sich um eine neutrale Flüssigkeit. Niedrigere Werte sind sauer und höhere basisch.

Bei Verdacht auf eine Störung des Säure-Basen-Haushalts bestimmt eine Ärztin beziehungsweise ein Arzt den pH-Wert im Blut. Hinweise auf eine Veränderung können zum Beispiel Zittern, Bewusstseinstrübung und Delirium sein. Letzteres beschreibt einen Zustand geistiger Verwirrung. Dieser äußert sich durch Störungen des Denkvermögens, Fieber und starkes Schwitzen.

Fazit: Eine Säure-Basen-Diät ist nicht sinnvoll. Dich zu 80 Prozent von Basenbildnern und zu 20 Prozent von Säurebildnern zu ernähren, ist überflüssig, weil dein Körper durch ausgeklügelte Regelmechanismen nicht übersäuern kann – sofern du gesund bist. Lediglich Frühgeborene, ältere Menschen und Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion laufen Gefahr, an einer sogenannten Acidose zu leiden. Nichtsdestotrotz steht eine säurelastige Ernährung unter dem Verdacht, diverse Gesundheitsprobleme auszulösen. Dabei kann es sich um einen erhöhten Cortisolspiegel, Gicht, Bluthochdruck oder Nierensteine handeln. Unterm Strich heißt das für dich: Ernähre dich ausgewogen! Iss neben säurebildenden, tierischen Proteinquellen auch reichlich Gemüse und Obst. Die DGE empfiehlt 400 beziehungsweise 250 Gramm davon. Auf diese Weise macht sauer doch lustig!