Die Guten kommen ins Töpfchen, die schlechten nicht ins Kröpfchen – wie gesund ist eine Smoothie-Bowl mit reichlich Superfoods wirklich?
29. September 2022
von Franziska Schindler

Samt regionaler Alternativen

Diese 5 Superfoods sind wirklich supergut

Neue Superfoods schießen wie Pilze aus dem Boden – manche von ihnen sind genießbar und andere schaden sogar deiner Gesundheit. Warum greifst du also nicht gleich zum heimischen Ersatz? Lass dich von unseren fünf regionalen Naturtalenten überzeugen, dass Superfoods den Hype nicht wert sind.

  • Gekonntes Marketing suggeriert, dass Superfoods einen größeren Nutzen für deine Gesundheit haben als handelsübliche Lebensmittel, welche in Wahrheit ebenso nährstoffreich sind
  • Die regionalen Superfood-Alternativen Leinsamen, schwarze Johannisbeeren und Hirse können statt Chia-Samen, Goji-Beeren und Quinoa bedenkenlos auf deinem Teller landen
  • Rote Bete und Sauerkraut sind die wahren Superfoods, weil sie mit einer Menge Nährstoffe überzeugen und der Tatsache, dass sie in Deutschland wachsen

Hinter Superfoods steckt gekonntes Marketing

Als „Superfoods“ werden Lebensmittel bezeichnet, die einen besonderen, gesundheitlichen Nutzen haben sollen. Tatsächlich punkten sie mit positiven Inhaltsstoffen wie beispielsweise Vitamin C, Omeaga-3-Fettsäuren und Magnesium, aber sie landen eben auch nicht ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen auf deinem Teller. Da stellt sich die Frage, warum du überhaupt zum Exoten greifst.

Das liegt am gekonnten Marketing. Ein spannendes Narrativ und ein wenig Warenkunde machen aus einem bislang fremden Lebensmittel schnell einen kulinarischen Hype. Er suggeriert dir, dass dich ausgerechnet diese eine neue Trockenfrucht zu einem gesünderen Menschen macht.

Dabei vergessen viele, dass heimische Alternativen zu Superfoods neben gleichwertigen Inhaltsstoffen sogar noch mehr zu bieten haben: Sie sind günstiger, in der Regel weniger mit Pestiziden belastet, haben keine weite Reise hinter sich und sind ethisch vertretbar. Superfood tut eben selten gut. Wir haben Alternativen für die drei gängigsten und zwei wahre Naturtalente – stehen sie auf deinem Speiseplan?

Regionale Alternativen für Superfoods

CHIA-SAMEN

Dafür beliebt: Aufgrund ihres hohen Gehalts an mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören Chia-Samen zu den Ölsaaten. Sie zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren (Alpha-Linolensäure) aus – Chia liefert etwa 17 Gramm pro 100 Gramm Samen. Außerdem kommen sie mit reichlich Ballaststoffen und 16 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm daher.

Deswegen problematisch: Auf der Verpackung von Chia-Samen befindet sich der Hinweis, dass man die Tageshöchstmenge von 15 Gramm nicht überschreiten sollte – das sind gerade mal zwei Teelöffel. Der Grund dafür ist die Zulassungsentscheidung des Gesetzgebers, der angesichts der Sicherheitsbewertung der EFSA eine Begrenzung des Chia-Konsums für erforderlich hielt.

Das liegt daran, dass noch nicht genug valide Daten für eine unbeschränkte Zulassung vorliegen und die Behörde 15 Gramm pro Tag als gesundheitlich unbedenklich einstuft. Ein schlechtes Gefühl bleibt trotzdem. Vor allem, wenn du sie im trockenen Zustand isst. Denn Chia-Samen können um ihr 27-Faches aufquellen, sodass du sie laut Verbraucherzentrale mit reichlich Wasser konsumieren solltest. Andernfalls drohen gefährliche Verstopfungen. Mit der regionalen Alternative zum Superfood Chia hingegen, behandelten bereits deine Großeltern einen trägen Darm.

Damit ersetzen: Leinsamen liefern mit 23 Milligramm Omega-3-Fettsäuren pro 100 Gramm sogar 6 Milligramm mehr als Chia – und fast achtmal so viel wie 100 Gramm Lachs. Auch in Sachen Ballaststoffe und Eiweiß haben sie die Nase um ein paar Gramm vorn.

Um vom vollen Potenzial der heimischen Superfood-Alternative zu profitieren, solltest du Leinsamen frisch vor dem Verzehr mithilfe einer Küchenmaschine, eines Mixers oder Mörsers schroten. Wenn du die Samen ganz isst, scheidest du sie – samt Omega-3-Fettsäuren, Mineralien und Vitaminen – auf der Schüssel relativ unverändert wieder aus. Das gilt übrigens auch für den Exoten Chia. Vom Kauf gemahlener Samen solltest du absehen, da die Oxidationsgefahr der wertvollen Fette und Vitalstoffe während der Lagerung in der Regel zu hoch ist.

Es lohnt sich außerdem, auf das Herkunftsland auf dem Etikett zu achten. Obwohl Leinsamen in unseren Gefilden wachsen, müssen sie leider noch lange nicht aus Deutschland kommen. Regional bekommst du sie in der Regel direkt vom Erzeuger.

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GOJI-BEEREN

Dafür beliebt: Ihr Vitamin-C-Gehalt von 48 Milligramm pro 100 Gramm Goji-Beeren entspricht der einer Zitrone. Er verleitet Superfood-Jüngerinnen und -Jünger dazu, Goji-Beeren in ihr Müsli zu mischen oder sie auf ihrer Smoothie-Bowl zu arrangieren. Sie sind außerdem beachtliche Lieferanten von Antioxidantien und Polysacchariden. Letztere sind nützlich für den Abtransport von Stoffwechsel-Abfällen wie zum Beispiel Laktat, welches sich beim Training ansammelt.

Deswegen problematisch: Die Pestizidbelastung von Goji-Beeren ist eine bittere Pille, die du mit dem Konsum der herben Früchtchen schlucken musst. In der Vergangenheit gerieten sie daher regelmäßig in Verruf, denn der Großteil der Ware kommt aus China. Laut eines Untersuchungsberichts des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Stuttgart aus dem Jahr 2017 sind viele Goji-Beeren mit bis zu 35 verschiedenen Pestiziden belastet. Selbst in als Bio- und unbehandelt deklarierten Produkten wurden Rückstände in hohen Konzentrationen festgestellt.

Greenpeace machte 2013 klar, dass unter anderem Goji-Beeren mit Pestizidrückständen übersät seien und forderte die chinesische Regierung auf, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln strenger zu kontrollieren. Die Belastung überstieg die EU-Grenzwerte teilweise sogar um das Hundertfache. Langfristig können derartige Rückstände in Lebensmitteln zu chronischen Vergiftungen führen und Lernschwierigkeiten, Hormonstörungen und Fortpflanzungsanomalien zur Folge haben.

Aber warum das Risiko eingehen, wenn eine regionale Alternative mit dem Superfood mithalten kann?

Damit ersetzen: Schwarze Johannisbeeren enthalten pro 100 Gramm stolze 180 Milligramm Vitamin C. Das ist viermal mehr als in getrockneten Goji-Beeren und sogar in Zitronen steckt. In diesem Punkt sind die dunklen Früchte selbst den roten Johannisbeeren überlegen – die schwarzen enthalten das Fünffache an Vitamin C. Wie eigentlich alle Beerensorten, glänzen auch schwarze Johannisbeeren mit Antioxidantien und Polysacchariden.

Hinzukommt, dass die übliche Verzehrmenge von einer Handvoll (wenn überhaupt) Goji-Beeren in der Regel deutlich kleiner ist als jene von schwarzen Johannisbeeren, sodass der gesundheitliche Nutzen von einer Portion Goji-Beeren schnell relativiert wird. Ganz zu schweigen von ihrer – für Trockenobst üblichen – hohen Energiedichte von 349 Kalorien und ihrem beachtlichen Zuckergehalt von 46 Gramm pro 100 Gramm Beeren.

Goji-Beeren (circa 30 Gramm):
– 14 Milligramm Vitamin C
– 107 Kalorien
– 14 Gramm Zucker

Schwarze Johannisbeeren (circa 150 Gramm):
– 270 Milligramm Vitamin C
– 60 Kalorien
– 11 Gramm Zucker

QUINOA

Dafür beliebt: Das Korn der Inka ist vor allen Dingen wegen seines hohen Eiweißgehalts beliebt. Er ist mit 13 Gramm pro 100 Gramm Quinoa ungefähr doppelt so hoch wie beispielsweise der Proteingehalt von Reis (6,8 Gramm). Dabei überzeugt nicht nur die Menge, sondern auch die Eiweißqualität.

Das Pseudo-Getreide hat eine genauso hohe biologische Wertigkeit wie Magerquark: 81. Dieses Maß gibt an, wie gut eine Proteinquelle vom Menschen in körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden kann. Außerdem strotzt das Superfood vor Eisen, was ihn besonders für Veganerinnen und Veganer interessant macht. On top ist Quinoa glutenfrei. Aber wo ist denn jetzt der Haken?

Deswegen problematisch: Quinoa ist gesundheitlich unbedenklich, aber leider nicht ethisch. Etwa 95 Prozent der gesamten Weltproduktion des Inka-Korns werden in Peru, Bolivien und Ecuador angebaut. Dort ist Quinoa ein Grundnahrungsmittel der Einheimischen – beziehungswiese war. Anfangs profitierten die Kleinbauern von dem Rausch um das Superfood, aber es folgte schnell die Katerstimmung. Mittlerweile kämpfen sie mit Großproduzenten um Anbauflächen.

Mit dem Hype um das Pseudo-Getreide und dem Preisanstieg auf dem internationalen Markt, konnten es sich die ärmeren Bevölkerungsschichten außerdem plötzlich nicht mehr leisten. Oder sie verzichten auf ihr Grundnahrungsmittel, um es verkaufen zu können. Hinzu kommt, dass die Anbaugebiete immer weiter ausgedehnt werden, weil die heutige Nachfrage kaum gedeckt werden kann. Die Folge ist zunehmende Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts der Andenregion.

Fairtrade-Quinoa zu kaufen wäre eine Lösung – unser heimischer Ersatz für das Superfood ist eine noch viel bessere.

Damit ersetzen: Das Narrativ der regionalen Superfood-Alternative kann schon mal mit Quinoa mithalten: Hirse ist das erste Getreide, das jemals angebaut wurde. Bereits in der Jungsteinzeit hat man sie kultiviert. Das Süßgras enthält genauso viel Eisen wie Quinoa und nur geringfügig weniger Calcium, Magnesium und Eiweiß und ist ebenfalls glutenfrei – ein ziemlich ebenbürtiger Ersatz also!

Weil Hirse aus Asien stammt, kommen die im Handel erhältlichen Produkte oftmals aus China. Doch seit einigen Jahren wird das ursprünglich regionale Superfood wieder heimisch gemacht, nachdem es bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts noch großflächig in Deutschland angebaut wurde. So nimmt die Produktion hierzulande „dank“ des Klimawandels und veränderterer Witterungsbedingungen stetig zu. Traditionelle Anbaugebiete finden sich beispielsweise in Brandenburg und Bayern.

Kein heimischer Ersatz notwendig – zwei wahre Superfoods

ROTE BETE

Zugegeben, man muss Rote Bete mögen. Ihr leicht erdiger Geschmack kommt nicht bei allen gut an. Dabei kann sie doch noch so viel mehr – deine Finger rot verfärben zum Beispiel. Das liegt am Farbstoff Betanin, der zu den sekundären Pflanzenstoffen (Flavonoiden) zählt und reichlich in der roten Rübe vorhanden ist. Ihm werden antioxidative Eigenschaften zugeschrieben. Diese sollen das Herz-Kreislaufsystem stärken und freie Radikale in deinem Körper abfangen. Betanin stimuliert außerdem die Funktion der Leberzellen, kräftigt die Gallenblase und sorgt somit für eine zügige Ausscheidung von Giftstoffen.

Rote Bete hat ferner aufgrund ihres hohen Gehalts an Folsäure und Eisen einen positiven Effekt auf den Bluthaushalt. Die beiden Stoffe sind nämlich maßgeblich an der Bildung roter Blutkörperchen beteiligt. Die Wirkung des enthaltenen Nitrats auf dein Blut sollte Kraftsportlerinnen und Kraftsportler aufhorchen lassen: Es steigert die Stickstoffwerte und verbessert die Durchblutung. Das sorgt für einen intensiveren Pump – und das nicht nur oberhalb der Gürtellinie.

Deutsche Rote Bete kommt ab September auf den Markt und ist bis zum Frühjahr im Handel – das folgende Naturtalent bekommst du sogar das ganze Jahr über!

SAUERKRAUT

Für dieses heimische Superfood ist kein Ersatz notwendig! Was wäre Deutschland bloß ohne seinen fermentierten Weißkohl? Das gute, alte Sauerkaut gibt es in jedem Supermarkt für einen Bruchteil des Preises der gehypten Superfoods. Fermentierte Lebensmittel haben während des Corona-Lockdowns ein kleines Revival erlebt. Gemüse selbst einzulegen war (und ist) eine willkommene Abwechslung zum Netflix-Schauen – das freut nicht nur deine Augen, sondern auch den Rest deines Körpers!

Der Prozess der Fermentation macht unser Essen mithilfe von Mikroorganismen haltbar. Bakterien und Hefen verwandeln dabei den im Kohl natürlich vorkommenden Zucker in Alkohol oder Milchsäure. Fermentierte Nahrungsmittel wie Sauerkaut, wirken sich dank dieser vielfältigen Bakterienkulturen positiv auf deine Darmgesundheit aus. Und dieser verarbeitet nicht nur deine Nahrung, sondern beeinflusst die Gesundheit deines kompletten Körpers – selbst die deiner Psyche.

Sauerkraut versorgt dich darüber hinaus mit vielen Vitaminen und Mineralstoffen – es enthält sogar Spuren von Vitamin B12. Gut zu wissen: Dieses Vitamin wird ausschließlich von Mikroorganismen produziert, die sich auf sämtlichen Pflanzen und Früchten befinden. Fleisch und andere tierische Produkte sind nur Vitamin-B12-Quellen, weil sich Tiere davon ernähren und ihr Futter vor dem Verzehr nicht waschen.

Manche Superfoods kommen mit gesunden Wirkstoffen, aber alle ohne Wunderwirkung. Zumindest können sie nichts, was heimische Alternativen nicht auch draufhätten. Mit dem Konsum der regionalen Naturtalente sparst du dir nicht nur Geld, sondern schützt dich vor allem vor den Schattenseiten der gehypten Lebensmittel: Tageshöchstdosen, Verstopfungen, Pestizidbelastung, Verarmung von Kleinbauern, Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts und vielem mehr. Also warum in die Ferne schweifen, wenn das Sauerkraut doch so naheliegt?